: Der Autor als Produzent
■ Keine Räume für Künstler in Berlin? Forderungskatalog des Atelierbeauftragten
Kunst als zu vermarktendes und zu verwaltendes Kulturprodukt glänzt in dieser Herbstsaison wieder in aufwendigen Museums- und Galerieshows. Kultur als Standortvorteil wird von Städten immer dann ins Gespräch gebracht, wenn es um ihren Ruf als Industriestandort, als Finanzplatz und Tourismuszentrum geht. Bevor es ums Renommieren geht, tun sich die Städte schwer.
Üblicherweise Nicht-Eigentümer eines der wesentlichen Produktionsmittel, des Ateliers, werden KünstlerIn und AutorIn als ProduzentIn mit dem Problem der explodierenden Gewerbemieten ziemlich alleine gelassen. Die Problemlage wurde am vergangenen Freitag in einem Pressegespräch erläutert, das der Atelierbeauftragte des Kulturwerks des Berufsverbandes Bildender Künstler Berlins, Bernhard Kotowski, initiiert hatte.
In Berlin existieren derzeit rund 600 Ateliers in öffentlicher Hand, bei einer Gesamtzahl von vier- bis fünftausend Bildenden KünstlerInnen. Allein 750 Dringlichkeitsanträge auf Arbeitsraum liegen vor. Die Situation, die schon vor 1989 prekär war, hat sich seither dramatisch verschlechtert. Ehemalige Randlagen sind nun in die Spitzenklasse der Mieten aufgerückt.
»Ohne Kunst keine Stadt« ist der Forderungskatalog des Atelierbeauftragten betitelt. Der Geschäftsführer der Atelier-GmbH des BBK Michael Fröhling erläuterte die veranschlagten Maßnahmen: Zusätzliche investive Mittel zur Erschließung neuer Ateliers und Atelierwohnungen seien dringend erforderlich. In die Modernisierungs- und Instandsetzungsrichtlinien der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen müsse die Förderung von Künstlerarbeitsstätten als stadtweite Maßnahme aufgenommen werden, ebenso die Sonderwohnform »Atelierwohnung« in den ersten Förderungsweg des Wohnungsneubaus. In Sanierungsgebieten solle die Förderung der kulturellen Infrastruktur Planungsziel sein.
Zwei Prozent der Mittel für den Sozialen Wohungsneubau und der Stadterneuerung sollen für Ateliers und Atelierwonhungen ausgegeben werden. Der Verkauf von Flächen und Objekten aus Landesbesitz müsse an die Auflage gebunden werden, Arbeitsstätten für Bildende Künstler in das Investitionsvorhaben miteinzubeziehen. Freie Träger könnten Ateliers bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften über Nutzungsverträge an die Künsterlinnen weitergeben. Alle planungsrechtlichen Möglichkeiten wie Erhaltungssatzungen und Bebauungspläne, bestehenden Atelierraum auch bei privaten Vermietern zu erhalten, müßten ausgeschöpft werden. Um nicht nur den Bestand zu erhalten, sondern auch dem immensen Nachholbedarf gerecht zu werden, müßten für den Zeitraum der nächsten fünf Jahre pro Jahr 200 Künstlerarbeitsstätten verfügbar gemacht werden. Die Maßnahmen müßten sofort greifen, denn die Vertreibung der Künstler sei schon voll im Gange.
Es geht um eine grundlegende Strukturreform der Kunstförderung. Neue Instrumente professionellen Managements, um Finanzierung und Erschließung neuer Flächen und Räume zu gewährleisten, sind notwendig. Die 1991 im Ostteil der Stadt gegründete Gesellschaft Hackesche Höfe e.V., Verein zur Förderung urbanen Lebens, will etwa über ein integratives Nutzungsmodell die kulturelle Perspektivsicherung der Höfe erreichen. 50 Prozent Nutzflächenanteil für Gewerbeansiedlungen sollen 20 Prozent Kulturflächen finanzieren. Gedacht ist vor allem an kulturnahes Gewerbe.
Statt Worte Taten: »Squatting is Art« nennt Vereinigte Varben Wawavox in der Kastanienallee 77 ihre Besetzeraktion, die sie als beuyssche »Soziale Plastik« im Sinne der Kunstfreiheit interpretiert. Das leerstehende Haus im Prenzlauer Berg, dessen Eigentumsverhältnisse ungeklärt sind, soll angekauft werden. Dreizehn Stunden, vom 19.September 14.00Uhr bis 20.September 2.00Uhr stellen Wawavox ihr Anliegen im Mysterienspiel vor. Am 27.September gibt es eine Kunstauktion, um Mittel zum Erwerb der Kastanienallee 77 aufzutreiben. Wbg
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