Ein Minister in Mogadischu

Helmut Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen Amt, schaute sich am Mittwoch kurz Somalia an/ UNO-Arbeitsteilung: Für Deutschland bleibt die Uniformausstattung, vielleicht auch die Polizeihilfe  ■ Aus Mogadischu Bettina Gaus

„Uns wurde gesagt, hier seien Massen von verhungernden Leuten. Wo sind die?“ wundert sich ein Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Nairobi bei der Ankunft in der somalischen Kleinstadt Hoddur. Tatsächlich sehen die etwa 300 Somalis, die hier die Ankunft einer Maschine der Bundesluftwaffe beobachten, zwar zerlumpt und elend aus — aber sie sterben nicht. „Ja, kommen die Hungernden jetzt her?“ fragt der Diplomat. Nein, die Delegation muß sich selbst bemühen. „Wir gehen jetzt zehn Minuten zu Fuß durch das Dorf, wo die Hungernden sind“, teilt ein Sprecher des Auswärtigen Amtes mit. Dann standen aber doch Lastwagen zur Verfügung.

Der Somalia-Besuch von Staatsminister Helmut Schäfer am Mittwoch war auf die Minute genau verplant. Immerhin blieben dem Politiker nach Abzug der Flugzeiten noch genau zwei Stunden und fünfzig Minuten auf somalischem Boden. Eine Stunde verbrachte er im Flughafengebäude von Mogadischu, wo er mit Vertretern der UNO, darunter dem Sonderbeauftragten Mohamed Sahnoun, sprach. Dann wurde zum Fototermin gebeten: Schäfer bei der Übergabe von Medikamenten im Wert von 300.000 Mark an den Leiter des SOS-Kinderdorfes, Willi Huber. Die Kameras klickten.

„Wir müssen uns mit unserer Hilfe weiß Gott nicht verstecken, wir sind jetzt ganz vorne“, freut sich ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Mit Werbung für Deutschland habe der Ministerbesuch jedoch nichts zu tun: Dieser wolle sich vielmehr ein Bild von der Lage und der Verwendung der deutschen Hilfe machen.

65 Millionen Mark hat die Bundesregierung dem Land am Horn von Afrika, wo ein Drittel der Bevölkerung vom Hungertod bedroht ist, in diesem Jahr zur Verfügung gestellt. Vermutlich soll aufgestockt werden. Der Sprecher: „Daß der Minister hier ist, ist entscheidend, damit sich die Regierung besser ein Bild machen kann. Wenn Herr Schäfer im Kabinett gefragt würde, dann könnte er berichten.“

Keine gänzlich überraschenden Erkenntnisse allerdings: Daß „die Folgen von Krieg und Dürre schlimm, teilweise verheerend“ seien, befand der Staatsminister nach dem Abstecher in Hoddur vor dem Rückflug nach Kenia. Und daß die angekündigten UNO-Truppen möglichst bald nach Somalia kommen müßten, denn „jede Hilfe braucht auch Schutz“.

Da befindet sich der deutsche Politiker in völliger Übereinstimmung mit westlichen Kollegen, die sich seit Tagen in Somalia die Klinke in die Hand geben. Neben anderen haben jetzt der britische Außenminister Douglas Hurd und sein italienischer Amtsbruder Demilio Colombo dem Land Blitzbesuche abgestattet. Schäfer ist hoffnungsvoll: „Die UNO wird schon durch ihre Präsenz dazu beitragen, daß die Kämpfe abflauen, da hier dann eine ausländische Autorität im Lande ist.“

Gegenwärtig sind in Somalia das Hauptproblem allerdings nicht Kämpfe, sondern Plünderungen bewaffneter Banditen. Daß die sich durch ausländische Autorität behindern lassen, wird von manchen Beobachtern vor Ort bezweifelt. Am Samstag soll das erste Truppenkontingent der UNO in Mogadischu eintreffen, insgesamt will die UNO jetzt 4.219 Soldaten im Land stationieren. Der mächtige Militärführer General Farrah Aidid allerdings hat bisher nur der Präsenz von 500 fremden Soldaten zugestimmt. Sollte er auf seiner Haltung beharren, dann droht die Gefahr direkter Angriffe auf UNO-Truppen. Keiner der westlichen Politiker, die in jüngster Zeit Somalis besucht haben, hält dies jedoch für einen schwerwiegenden Einwand.

Dient Somalia auch als Argumentationshilfe im innenpolitischen Streit? Deutschland sei nicht angesprochen worden, sich an dem militärischen UNO-Einsatz in Somalia zu beteiligen, betont Staatsminister Schäfer, aber „ich würde mir wünschen, daß wir generell in der Lage sind, wenn wir angesprochen werden, nicht immer wieder nein sagen zu müssen“. Was die Bundeswehr hier leiste, sei großartig. „Das beweist, daß wir gar nicht erst zu fragen brauchen: Kriegen wir genug Freiwillige für einen UNO-Einsatz? Ich garantiere Ihnen: Es werden sich mehr Leute melden, als die UN sie braucht, wenn mal die Voraussetzungen dazu gegeben sind.“

Vorläufig muß sich Deutschland mit bescheideneren Aufgaben begnügen. Mohamed Sahnoun hat Helmut Schäfer gebeten, Somalis, die am Flugplatz offiziell für die Sicherheit zuständig sind, mit Uniformen auszustatten. „Ich weiß nicht, welche Uniformen zur Verfügung stehen, aber irgend etwas müßte sich ja wohl im Fundus verschiedener deutscher Institutionen finden lassen“, meint der Staatsminister.

Eine solche Hilfe hätte Tradition. Polizisten in Somalia wurden unter dem gestürzten Diktator Siad Barre mit deutscher Hilfe ausgebildet. Gegenwärtig erwägt die UNO, die Bitte somalischer Clanführer zu erfüllen, bei der Neustrukturierung der Polizei behilflich zu sein. „Wir sind um Uniformen, Kommunikationszubehör und Transportmöglichkeiten gebeten worden“, erklärte kürzlich Liviu Bota, Berater von Mohamed Sahnoun. Will die UNO wirklich solche Güter nach Somalia liefern? „Die Entscheidung liegt beim Weltsicherheitsrat.“ Und sollten die Deutschen erneut bei der Polizeiausbildung beteiligt werden?

Dazu mochte sich der UN-Vertreter nicht äußern. Immerhin: Somalis hätten den deutschen Aktivitäten in diesem Zusammenhang „hohe Anerkennung“ gezollt.