: Die Markus-Wolf-Posse in Bonn
■ Vor dem Schalck-Untersuchungsausschuß hieß es nur: „Keine Antwort, Herr Vorsitzender“
Bonn (dpa) — Dies war wohl wieder keine Sternstunde des Schalck-Untersuchungsausschusses des Bundestages. Denn wer da wen vorgeführt hatte, war am Ende des Auftritts des einstigen DDR-Spionagechefs Markus Wolf am Donnerstag in Bonn durchaus offen. Ungefähr fünfzigmal handelte sich der Ausschußvorsitzende Friedrich Vogel (CDU) den vom Zeugen Wolf freundlich, aber bestimmt formulierten Satz „Keine Antwort, Herr Vorsitzender“ ein.
Angesichts des beim Generalbundesanwalt gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahrens wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit mochte der einst so geheimnisumwitterte „Mischa“ überhaupt nichts zum Gegenstand des Untersuchungsausschusses — der Rolle des früheren DDR-Devisenbeschaffers Alexander Schalck-Golodkowski — sagen. Nicht einmal die Frage „Kannten Sie Herrn Schalck?“ wollte er mit ja oder nein beantworten — was einige CDU-Abgeordnete derart in Rage brachte, daß Wolfs Anwalt erregt intervenierte: „Sie lassen die Verhöhnung des Zeugen zu, Herr Vorsitzender.“
Doch Vogel hatte sich fest vorgenommen, den Ausschuß diesmal nicht so hilflos wie bei den Vernehmungen Schalcks im Nebel stochern zu lassen. Er spulte seine Fragen - vom Verhältnis zu Schalcks Ehefrau bis zum Einbau einer West-Sauna in seiner Wohnung — ohne Rücksicht auf die Verweigerung des Zeugen — mit einem einzigen Ziel ab: Anhand des Vernehmungsprotokolls soll anschließend festgestellt werden, an welchen Punkten Wolf sich zu Unrecht auf das Auskunftsverweigerungsrecht berufen hat und daher zur Aussage gezwungen werden kann, notfalls sogar mit Beugehaft.
Doch Wolf beschränkte sich aufs Formale: Er wohne im Berliner Nikolaiviertel, lebe unter anderem von 803 Mark Rente. Von Beruf sei er Schriftsteller, ließ Wolf die Abgeordneten wissen. Darauf zitierte Vogel eine Passage aus einem Wolf- Buch, in dem dieser Schalck als raffgierigen Ehrgeizling beschrieben hat. Stammt das von Ihnen, fragt Vogel. „Ich stehe zu jedem Wort, das ich geschrieben habe“, lautet die Antwort.
Holger Schmale (dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen