: Beim Auszug am besten die Badewanne mitnehmen
■ »Illegale« Ein- und Umbauten und ihre Folgen: beim Auszug kassiert zumeist der Vermieter ein, was in Mieter-Selbsthilfe entstanden ist/ Im Ostteil der Stadt werden die MieterInnen zur Kasse gebeten: Wer die Wohnung mühselig selbst modernisiert hat, soll nun einen Zuschlag zahlen
Berlin. Wie die meisten MieterInnen, denen es unter Einsatz verdeckter Mittel gelang, einen Mietvertrag zu ergattern, freute sich auch Helmut A. darauf, aus dem Nichts ein Heim zu zaubern. IKEA-geschädigt und begierig auf den ersten Luxus machte sich der gelernte Fliesenleger daran, im »eigenen« Flur und Wohnzimmer Parkett zu legen. An einen möglichen Auszug dachte er zu diesem Zeitpunkt nicht.
Doch es kommt bekanntlich anders, als man denkt. Helmut A. mußte aus beruflichen Gründen nach Westdeutschland. Das Parkett glaubte er sich vom Nachmieter oder Hauseigentümer erstatten lassen zu können. Helmut A. irrte. Da es sich um einen nicht genehmigten Einbau handle, so sein Vermieter, habe er auch keinen Anspruch auf Werterstattung. Einen Nachmieter, wurde ihm glaubhaft versichert, könne er ohnehin nicht stellen. Helmut A. blieb schließlich nichts anderes übrig, als das Parkett wieder herauszureißen.
Was im Juristendeutsch recht unverfänglich »Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands« heißt, gerät den Betroffenen nicht selten zum handfesten Ärgernis. Egal, ob es sich dabei um den Einbau einer Dusche, eines Bads oder aber eines Hochbetts handelt, ob die Decke heruntergezogen wird, die Küche in mühevoller Kleinarbeit holzvertäfelt oder zwei Zimmer zusammengelegt werden; Ein- und Umbauten in der Wohnung bedürfen grundsätzlich der Genehmigung durch den Vermieter.
Liegt eine solche Genehmigung nicht vor, gibt es beim Auszug nicht selten Probleme. »Als ich vor vier Jahren in die neue Wohnung zog«, berichtet Clemens Z., »habe ich zuallererst den altersschwachen Gasherd rausgerissen und einen neuen angeschlossen.« Sein Pech: Der alte landete leider nicht auf dem Dachboden, sondern auf dem Sperrmüll. Der neue Gasherd dagegen ging dann zur Freude des Vermieters in dessen Besitz über.
»Wer eigenständig Veränderungen in der Wohnung vornimmt«, berichtet Hartmann Vetter, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, »hat zwar in der Regel nicht mit Abmahnungen und Kündigungen zu rechnen, wohl aber damit, daß das investierte Geld verloren geht.« Seine Forderung: Um mögliche Abstandszahlungen zu gewährleisten, sollten Ein- und Umbauten grundsätzlich zwischen Mieter und Nachmieter geregelt werden. Gerhard Heß von der Berliner MieterGemeinschaft will dagegen auch die Eigentümer in die Pflicht nehmen: »Wer Einbauten vornehmen will, sollte sich zumindest vom Vermieter die Erstattung des Zeitwerts im Falle eines Auszugs bescheinigen lassen«, lautet sein Rat.
In einem ganz anderen Sinne würdigen die Wohnungsbaugesellschaften im Ostteil der Stadt diesen Zeitwert. Diejenigen MieterInnen, die auf eigene Kosten ein Bad eingebaut hatten, bekamen mit den Mieterhöhungen vom 1. Oktober 1991 die Rechnung präsentiert: 0,15 DM je Quadratmeter Zuschlag. Was sich in diesem Falle noch relativ harmlos ausnahm, könnte zum 1. Januar 1993 böse Folgen haben. Mit den neuen Mieterhöhungen und dem darin vorgesehenen »Beschaffenheitszuschlag« sollen vor allem diejenigen zur Kasse gebeten werden, deren Wohnungen in gutem Zustand sind. »In einem Akt staatlicher Willkür ohnegleichen«, so Roland Baron vom Neuen Forum, »werden die Folgen der SED-Politik auf dem Rücken der Mieter ausgetragen. Wessen Wohnung kaputt ist, soll die Modernisierung bezahlen. Wer sie in Schuß gebracht hat, sieht sich mit dem Beschaffenheitszuschlag konfrontiert.«
Von den Kommunalen Wohnungsverwaltungen und deren Reparaturbetrieben im Stich gelassen, hatte zu DDR-Zeiten ein Großteil der MieterInnen zur Selbsthilfe gegriffen. Vielen der in Eigenarbeit entstandenen »Schmuckkästchen«, deren Existenz Westdeutsche hinter den verfallenden Fassaden kaum vermuten würden, droht nun neben den Mieterhöhungen auch das Bürgerliche Gesetzbuch. Die Wohnungsbaugesellschaften fordern beim Auszug die grundlegende Renovierung durch die MieterInnen sowie die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands.
Im Klartext: Alle Einbauten müssen entfernt werden, ohne daß die MieterInnen dafür nur einen Pfennig sehen. Auf welcher Rechtsgrundlage eine derartige Verwaltungspraxis steht, bleibt vorerst dahingestellt. Noch gibt es keine Rechtssprechung für die neuen Länder. Ulf Heitmann von der Bürgerberatungsgesellschaft IBIS geht jedoch davon aus, daß zu DDR-Zeiten vorgenommene bauliche Veränderungen nicht als ungenehmigt gelten. Seine Forderung: eine großzügige Genehmigungspraxis seitens der Wohnungsbaugesellschaften auch im Falle einer öffentlich geförderten Mietermodernisierung. Davon, so scheint es, sind die Wohnungsbaugesellschaften noch sehr weit entfernt.
In Pankow wurden jüngst die MieterInnen eines ganzen Häuserblocks ultimativ aufgefordert, die Verglasungen ihrer Verandas zu entfernen, und in Berlin-Mitte sollte eine behinderte Rentnerin, die ins Altersheim zog, 10.000 Mark für die anstehenden Renovierungsarbeiten bezahlen. Uwe Rada
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