: Gevatter Tod muß draußen bleiben
■ Start der Altenheim-Saga „Haus am See“, Sonntag, 20.15 Uhr, ARD
Wo RTLplus-Boss Helmut Thoma seit Jahren bei jeder sich bietenden Gelegenheit das ZDF als „Herrscher der Altersheime“ tituliert, tritt die ARD nun die Flucht nach vorn an und stellt eine noble Rentner-Herberge gleich ins Zentrum einer ganzen Serie. Unter dem Titel „Haus am See“ werden elf Folgen lang (dienstags, 20.15 Uhr) herzige bis herzzerreißende Schmonzetten von rüstigen Pensionären und kauzigen Seniorinnen über den Schirm flimmern.
Im Pilotfilm am Sonntag abend kam gleich ordentlich Leben in die betagte Bude. Ein cholerischer Kotzbrocken nebst Gattin bezog Quartier im noblen Rentner-Schlößchen und traf dort — wie das Leben nun mal so spielt — auf seinen Erzfeind aus früheren Tagen.
Und während sich zwischen dem neuen Ekelpaket und jenem feingeistigen Charmeur und Opernliebhaber der große Krach anbahnte, kämpfte zwei Zimmer weiter eine Dame um ihre Ehe, weil sich ihr Gatte auf die alten Tage ein junges Gemüse angelacht hatte. Und mittenmang immer der alerte Hausherr der noblen Anstalt, der sich in bester Herbergsvatermanier so rührend selbstlos um das Wohlergehen seiner Gäste kümmerte...
Auch wenn den einen oder anderen sein Zipperlein plagte, das schnöde Sterben ist in der Nobelherberge natürlich kaum ein Thema. Gevatter Tod wäre schließlich ebensowenig serientauglich wie die Tristesse eines „normalen“ Altersheimes. So lebt auch diese Reihe in erster Linie von den bewährten Zutaten der Fernsehunterhaltung: Herz und Schmerz.
Doch getreu der neuen Unterhaltungsmaxime innerhalb der ARD wird der herzige Schmonzens in Top-Quality serviert. Das renommierte Autoren-Duo Peter Märthesheimer/Pea Fröhlich sorgt für Dialoge jenseits der „Felix Huby- Norm“, und hinsichtlich der Darstellerriege wird ein geradezu verschwenderischer Umgang mit Hochkarätigem betrieben. Gar die Knef ließ sich herab und rechtfertigte ihre Mitwirkung mit der sinnigen Erkenntnis: „Man kann dem Fernsehen auf Dauer nicht entgehen.“
Symptomatisch für das hektische öffentlich-rechtliche Serienfieber im Abendprogramm: Eigentlich sollte die Altenheim-Saga „Kastanienhof“ heißen, bis irgendwer merkte, daß man mit diesem Titel dem „Marienhof“ in die Quere kommen könnte, jener Fließband-Soap-opera, mit der die ARD ab 1.Oktober zweimal wöchtlich demonstrieren will, wie künftig das öffentlich-rechtliche Profil aussehen wird. Reinhard Lüke
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