: Croissant verhaftet
■ Der Berliner Anwalt soll seit 1981 unter dem Decknamen »Taler« als IM für die Stasi gearbeitet haben
Berlin. Der Berliner Rechtsanwalt Klaus Croissant wurde gestern nachmittag unter dem dringenden Verdacht geheimdienstlicher Agententätigkeit für die DDR- Staatssicherheit verhaftet. Wie die Karlsruher Bundesanwaltschaft mitteilte, soll über den Vollzug des Haftbefehls heute entschieden werden. Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, sich im Januar 1981 gegenüber der Hauptabteilung XXII (Terrorabwehr) zu einer Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter bereit erklärt zu haben.
Unter dem Decknamen »Taler« habe er unter anderem interne Informationen und Einschätzungen zu Entwicklungen und Personen innerhalb des »linken Spektrums« in der Bundesrepublik geliefert. Er habe dazu insbesondere frühere Verbindungen und Kontakte zu den Grünen im Raum Frankfurt am Main und zu Autonomen in West- Berlin genutzt. 1982 soll der Anwalt seine Lebensgefährtin Brigitte Heinrich dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) zugeführt haben, die von 1983 unter dem Decknamen »Beate Schäfer« zunächst über Sachverhalte und Personen aus der »linken Szene« sowie Interna der taz berichtet habe, bei der sie beschäftigt war.
Nachdem Brigitte Heinrich 1984 über die Liste der Grünen Abgeordnete des Europäischen Parlaments geworden war und vom MfS den Auftrag erhalten habe, die Grünen umfassend »abzuklären« und auf deren Haltung zur DDR im Sinne der SED Einfluß zu nehmen, sei der Beschuldigte als nachrichtendienstlicher Kurier und Instrukteur für die Abgeordnete Heinrich tätig geworden. Auch nach dem Tod von Brigitte Heinrich im Dezember 1987 sei der Anwalt bis Ende 1989 in Kontakt mit dem MfS geblieben. Aus MfS-Kassenbüchern ergebe sich, daß »Taler« etwa 71.000 Mark Agentenlohn erhalten habe.
Der Vorgang »Taler/Beate Schäfer« hatte nach Angaben der Bundesanwaltschaft solche Bedeutung für das MfS, daß unter anderem auch Ex-DDR-Spionagechef Markus Wolf damit befaßt wurde. Die Ermittlungen, mit denen der Generalbundesanwalt das Bundeskriminalamt beauftragt hat, dauern der Karlsruher Behörde zufolge an. Der Beschuldigte war im Februar 1979 wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung — Mitwirkung am Aufbau und Funktionieren des sogenannten Info-Systems der Rote Armee Fraktion (RAF) — rechtskräftig zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Nach dem Zusammenbruch der DDR gründete Croissant zusammen mit Till Meyer (IM »Willi Waldorf«) einen Westverband für die gerade gewendete PDS, die Linke Liste/PDS in Westberlin. Die PDS wußte bis gestern nachmittag noch nichts von der Festnahme; nach Angaben eines persönlichen Mitarbeiters von Gregor Gysi ist Croissant nicht PDS-Mitglied. taz/dpa
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