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EIN MODELL ZUR FREIGABE ILLEGALER DROGEN

Drogen als Genußmittel?

Berlin (taz) — Drogen als Genußmittel — und zwar alle; nicht nur die Drogen, die schon heute legal sind, sondern auch die noch illegalen Cannabisprodukte, Halluzinogene, Opiate etc. Ein Unding? Wer Henning Schmidt-Semischs „Modell zur Freigabe illegaler Drogen“ gelesen hat, könnte leicht zum gegenteiligen Schluß kommen. Denn im Gegensatz zu all den „militanten“ Drogenbekämpfern und selbsternannten „Fachleuten“ zeigt sich Schmidt-Semisch wohltuend informiert. Er hat sich überdies die Mühe gemacht, den aktuellen Wissens- und Diskussionsstand in der internationalen Drogendebatte zusammenzutragen, und präsentiert dem Leser die Ergebnisse.

Wie vor ihm schon andere (zum Beispiel die WHO) weist er sodann schlüssig nach, daß die eigentliche Gefahr nicht von den Drogen selbst ausgeht, sondern durch die Bedingungen der Illegalität erst geschaffen wird. Beschaffungskriminalität und ihre Folgen beziehungsweise Kosten für die Allgemeinheit, mangelnde oder fehlende Information der Konsumenten bezüglich der Reinheit der Stoffe, ihrer Dosierung und möglichen Applikationsformen, mangelnde ärztliche Betreuung und soziale Einbindung — sind Folgen der Prohibitionspolitik. Beschaffungskriminalität entsteht, weil die Konsumenten illegaler Drogen — anders als ihre nikotin- oder alkoholabhängigen Kollegen — ihren „Stoff“ auf dem Schwarzmarkt besorgen müssen, wo sie auf Dealer stoßen, die „jeden Preis verlangen“ und den Grad der Reinheit der Droge selbst bestimmen können. Denn die Nachfrage nach dieser Ware bleibt in jedem Fall konstant, ob sie nun verboten ist oder nicht. Der Konsument illegaler Drogen zahlt also einen außerordentlich hohen Preis für eine Ware, der er sich nicht enthalten kann oder will; er begeht dabei eine kriminelle Handlung und weiß nicht einmal, welche wirklich gesundheitsschädigenden Stoffe sich noch in dem von ihm erworbenen Genußmittel befinden.

Auf der anderen Seite gibt es mittlerweile eine Reihe von Untersuchungen über den kontrollierten Gebrauch auch harter Drogen, Opiate etwa, die eine relative Unbedenklichkeit durchaus nahelegen: „Es gibt keinen Beweis dafür, daß Opiate Schädigungen des organischen zentralen Nervensystems verursachen oder andere Krankheiten, auch nicht nach jahrzehntelangem Gebrauch.“ Und schließlich wußte schon Paracelsus: „Alle ding sind gifft, und nichts ohn gifft, allein die dosis macht das ein ding gifft ist.“ Einer Gleichstellung von Cannabis, Halluzinogenen, Opiaten mit anderen Genußmitteln wie Alkohol, Kaffee oder Nikotin und damit einer Aufnahme in das Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz (LMBG) stünde eigentlich nichts im Wege. Schmidt- Semischs Leistung ist es, konkret aufzuzeigen, wie dies bewerkstelligt werden könnte, bis hin zu Beipackzetteln und Warnhinweisen, wie sie heute schon zumindest auf Nikotinverpackungen stehen. Die ganze Gesellschaft „profitiert (...) in Form von Einsparungen im Strafverfolgungs- und Strafvollstreckungsbereich, der Tatsache, daß die Konsumenten und Abhängigen nicht mehr dazu gezwungen sind, sich die finanziellen Mittel mit Hilfe von Beschaffungskriminalität zu sichern etc“. Die überfüllten Gefängnisse würden sich leeren, der Staatshaushalt wäre geringer belastet, da eine Drogensteuer anfiele, die „für Maßnahmen in diesem Bereich verwendet werden könnte“. Bleibt nur zu fragen, warum weiter desinformiert wird. Denn klar ist: „Drogenkonsum, Rausch und Abhängigkeit von den unterschiedlichsten Drogen wird es weiterhin geben“, da könne man kein Rezept entwickeln. Und der teure und mit großem Tamtam stets aufs neue verschärfte „war on drugs“ hat erheblich mehr Kriminalität hervorgebracht, als er verhindern wollte. Statt— womöglich schon sehr bald — vor der international operierenden Drogenmafia vollständig zu kapitulieren, wäre „die effektivste und zugleich kostengünstigste Methode, mit gefährlichen Substanzen umzugehen, die ehrliche Diskussion ihrer positiven und negativen Aspekte, Kontrolle oder Verbot von Werbung sowie ihre grundsätzliche Handhabung in der Art und Weise, wie wir heute mit Alkohol und Tabak verfahren“. Schmidt-Semischs Modell „Drogen als Genußmittel“ ist einer der wenigen ernstzunehmenden Versuche, der Drogenpolitik einen Weg aus der Sackgasse zu weisen, in die sie sich selbst manövriert hat. Philippe André

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