■ Gruppentherapie über Tausende von Meilen
: Safer Sex per Telefon

Safer Sex per Telefon

Seattle (dpa) — Chris ist homosexuell. Obwohl er sich der Aids-Gefahr bewußt war, ließ er immer wieder jede Vorsicht außer acht. Danach kamen die Reue und die Angst, es könne schon zu spät sein — bis zum nächsten Abenteuer, wider besseren Wissens erneut ohne Kondom. Um dem Teufelskreis zu entkommen, griff der Amerikaner schließlich zum Telefon und wählte gebührenfrei eine Nummer in Seattle im US- Bundesstaat Washington. Am anderen Ende meldeten sich Mitarbeiter einer Arbeitsgruppe der Universität von Seattle. Schon eine Woche später nahm Chris mit fünf weiteren Männern an einer Gruppentherapie teil, um die Gründe für sein unvernünftiges Verhalten herauszufinden. Das Ungewöhnliche daran: die Gespräche mit zwei erfahrenen Therapeuten finden per Telefon statt. „Projekt Aries“ heißt der in den USA einzigartige Service, der sich zunächst nur an die Bevölkerung in Seattle richtete und wegen seines außergewöhnlichen Erfolges im April auf alle Bundesstaaten ausgedehnt wurde.

1.000 Homo- und Bisexuelle haben seitdem zum Hörer gegriffen, und 350 von ihnen beteiligen sich inzwischen an den kostenlosen eineinhalbstündigen Gruppentherapien pro Woche. Sie haben ähnliche Probleme wie Chris. Er fand mit Hilfe der Berater heraus, daß er die Regeln des „Safer Sex“ vor allem dann vernachlässigte, wenn er unter starkem beruflichen Streß stand. Bei anderen waren es Angstzustände, Langeweile, Einsamkeit und ein unterschwelliges Unbehagen, Kondome zu benutzen. Da die Ratsuchenden anonym bleiben und sich am Telefon allenfalls beim Vornamen anreden, verlieren die Teilnehmer ihre Scheu und sind in der Lage, ihre Probleme offen auszusprechen.