: Wer auf die CDU setzt, „ist ein Dämlack oder lügt“
■ An die Genossen des SPD-Landesparteitages: Ihr seid aufgeschlagen, jetzt kann es nur noch aufwärts gehen
Ahnen und wissen ist eben doch zweierlei. Sonst wären die Genossen nicht so aufgescheucht, seit ihnen der Beweis samt Kontrollcheck auf dem Tisch liegt, daß es wohl mindestens für ein Jahrzehnt vorbei ist mit einer SPD-Alleinregierung in Bremen. Die Sozis stabilisieren sich im einst roten Bremen auf einem schlechten CDU-Niveau.
Nun kochen die Genossen- Seelen hoch. Der Landesparteitag am Samstag wird von einem Thema dominiert sein, das nicht im Saal verhandelt wird, sondern in den Pulks vor den Türen: Wie kriegen wir Wedemeier weg und was kommt dann? Denn keiner wird ernsthaft an die Rettung durch einen seit langem schwer angeschlagenen Spitzenkandidaten glauben, der noch unter dem politischen Mattlicht wie Nölle abgestellt wird. Und viele, besonders aus dem Westen um Sakuth und Kunick, möchten gleich die ganze Ampel kippen. Genossen, jetzt braucht ihr mehr als sonst den kühlen Kopf und keine Politik aus rachevollem Bauch. Was brächte Euch denn das Bündnis mit der CDU? Die neue Innenpolitik käme von Bortscheller, die Familien- und Frauenpolitik von Motschmann, die Bildungspolitik von Bürger. Graust's Euch noch immer nicht, dann macht Ausländerpolitik mit Kudella... Wer aus dieser Kumpanei noch Stärke für die SPD gewinnen will, ist ein Dämlack oder lügt. Daß Reservoir, aus dem allein die SPD sich künftig speisen kann, ist rot und grün. Selbst jetzt noch hat dieser politische Block 45 Prozent, er könnte in drei Jahren immer noch mehrheitsfähig werden. Im Bündnis mit der CDU wärt ihr am Ende ausgelaugt und schwächer als sie selbst.
Auch wenn die Grünen im Senat enttäuschen, sie bleiben Parkposition für SPD-Wähler. Und grün, das ist erstaunlich, zeigt sich immer noch belastungsfähig und ampeltreu. So etwas muß man nutzen.
Wie soll es weitergehen? Dumm wäre es, auf SPD-Senat und Wedemeier einzudreschen. Die sind halt, wie sie sind, und Angst macht sie nicht besser. Das Datum für Wedemeiers Rücktritt kann aus manchem Grund ziemlich ziemlich genau eingekreist werden: Zwischen März und Juni nächsten Jahres. Wer noch mehr wissen will, der frage nach. Bis dahin muß mit Ruhe und Verstand abgewartet werden. Wer dann kommt, wird jetzt durchgehechelt. Das Rennen zwischen der Bremer Dreiheit ist ziemlich offen. Bei Henning Scherf wäre es besonders wichtig, wen er als Staatskanzlist ins Ratshaus holt. Ihr seht, die Zeit bis März wird Euch nicht lang. Es gibt genug Stoff für die anregensten Personaldebatten.
Und einen Trost habt ihr bei allem: Die Rede von dem freien Fall der SPD ist Unsinn. Ihr seid jetzt aufgeschlagen. Und wer es überlebt, steigt wieder auf.
Thomas Franke, ehem. Bildungssenator
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