piwik no script img

Zocken ums beste Schnäppchen

■ Auktionen der Bundesbahn sind ein kurzweiliges Spektakel / Mit im Angebot: Billige Räder

sind ein kurzweiliges Spektakel/Mit im Angebot: Billige Räder

In einem kellerartigen Gewölbe unter der Sternbrücke ist seit etwa 50 Jahren das Fundbüro der Deutschen Bundesbahn (DB) eingerichtet. Hier findet an drei Tagen im Monat (jeden ersten Mittwoch, Donnerstag und Freitag) die Fundsachen-Auktion der DB statt. Ungefähr 2000 herrenlose Gegenstände warten hier jedesmal auf neue Besitzer. „Quer durch den Quellekatalog“, wie der Leiter des Fundbüros, Alfred Westphal, sagt. Immer dabei: bis zu zehn Fahrräder, „im Wert zwischen 50 und 250 Mark“.

Vor dem Eingang zum Fundbüro an der Stresemannstraße haben fliegende Händler einen Miniflohmarkt aufgebaut. Sie preisen Krimskrams und nützliche Kleinigkeiten an: Werkzeug, Bügelbretter, Geduldsspiele. Ihre Waren ersteigern sie teilweise auf der Auktion.

Drinnen geht es lebhaft zu. Wie bei einer Modenschau werden die Fundsachen auf einem Laufsteg zum Kauf angeboten, und wie beim Roulette sitzen die Interessenten angespannt um den erhöhten Tisch. Zuschauer beobachten von abgestuften Rängen aus das Spektakel — sie können mitbieten.

Ein Dutzend Regenschirmgebinde werden für je fünf Mark verscherbelt. Koffer voller Wäsche, Taschen mit Büchern. Rasierapparate dürfen ausprobiert werden. Bezahlt wird bar auf die Hand, das Wechselgeld kommt sofort. Dazwischen donnern die Züge der S-Bahn in die heisere Stimme des Auktionators. „Alle warten auf das Schnäppchen“, meint ein Besucher

und bietet für einen Taschenrechner. Kommentar von irgendwoher: „Der weiß doch gar nichts damit anzufangen.“

Die Fahrräder sind ein Höhepunkt der Versteigerung. „Viele wollen bei uns ein billiges Rad ersteigern, das auch schon einmal geklaut werden kann“, weiß Alfred Westphal aus zehnjähriger Erfahrung. Macken haben die Drahtesel alle. Ein Stahlroß mit platten Reifen ist noch vergleichsweise gut erhalten und bringt 54 Mark. Ein anderes hat eine Acht in den Felgen.

Auch ein Rennrad ohne Sattel findet seine Liebhaber. Und immer, wenn zwei sich um den künftigen Besitz streiten, geht der Preis markweise in die Höhe. In diesem Fall bis 85 Mark. Nur ein silbernes Damenrad bringt mehr: 120 Mark.

Nach einer Viertelstunde sind die Fahrräder versteigert. Es geht weiter mit den alltäglichen Dingen, die mancher Reisende schon einmal im Zug vergißt. Eine Reithose zum Beispiel („Das war ein Pferdesportler, der hat sein Pferd verzockt“) oder ein Koran. Die Luft im Raum wird stickig. Ungefähr 200 Menschen drängen sich im Gewölbe. Jeder angebotene Gegenstand wird bestaunt wie Werke alter Meister bei einer Kunstauktion. Genau wie dort gibt es Laien und Kenner. Erst auf der Straße werden die Händler wissen, ob sie sich verkauft haben.

Vor dem DB-Gebäude bietet ein alter Mann sein Rad zum Kauf an. „Ganz billig“, sagt er leise. Es ist das einzige Rad in wirklich gutem Zustand. Blank geputzt. Torsten Schubert

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen