: Außerirdisches Familienglück
■ Premiere im TiK: Hase Hase, eine Katastrophen-Komödie von Coline Serreau
, eine
Katastrophen-Komödie von Coline Serreau
Aus der Perspektive von Außerirdischen steht die Welt vor dem Untergang. Auch im Mikrokosmos der Familie Hase herrscht Chaos, aber vor der Katastrophe gibt es einen Augenblick der Ruhe, der trügerischen. Vater Hase wartet auf seine Lohnerhöhung, die bescheidenen Wohlstand verheißt - daß er aber arbeitslos werden wird, steht ihm ins Gesicht geschrieben. Die Kinder scheinen wohlversorgt - ein fadenscheiniges Glück. Mutter Hase hält in der Eineinhalbzimmerwohnung die Fäden in der Hand - die Hoffnung zerrinnt ihr alsbald zwischen den Fingern.
Das kann kein Stoff für eine Tragödie sein, eben weil sich das Drama in der typisierten Familie Gänseklein abspielt, also handelt es sich um eine Posse von derber Komik. Hase Hase ist das erste Theaterstück der Französin Coline Serreau, die hierzulande durch ihre Filmkomödien mit feministischem Ausgang bekannt geworden ist (Drei Männer und ein Baby). Das Thalia-Theater brachte es jetzt auf die Bühne in der Kunsthalle.
Nachwuchsregisseur Nicolai Sykosch macht es den Zuschauern leicht. Er führt Prototypen vor, die in ihrer Orientierungslosigkeit die Orientierung ermöglichen: der schicksalsergebene Vater (Edgar Bessen), das aggressiv-fürsorgliche Muttertier (etwas schmalbrüstig: Katharina Matz), die eigensinnigen Töchter (Heike Falkenberg und Oana Solomonescu), die aufsässigen Söhne (Justus von Dohnanyi und Thomas Bammer) und der altkluge Jüngste mit seherischen Gaben, der wegen seiner zu lang geratenen Schneidezähne auch mit Vornamen Hase heißt (rührend: Klaus Rodewald). Das Stück pfercht sie alle in die Etageninsel mit Küchenzeile und Naßzelle, dazu die vereinsamte bourgeoise Nachbarin (großer Auftritt: Sona Cervena)
1und den abgeblitzten, schmierigen Schwiegersohn (Oscar Ortega Sanchez). Dieses Gedränge wäre schon Katastrophe genug, aber auch die große Politik muß sich noch dazwischenquetschen: „Sehr vorübergehende Probleme“ im Gemeinwesen werden von einem Staatsstreich begleitet, der älteste Sohn Hase gerät als Staatsfeind in den Knast.
So wie im Glück das Unglück lauert, steckt im Unheil die Chance
1zur Rettung. Der Clan schreitet zu einer aberwitzigen Befreiungsaktion, die tödlich endete, wäre Hase Hase nicht in höherer Mission unter den Kleingeistern - als Abgesandter einer extraterrestrischen Spezies. In teilnehmender Beobachtung meistert er die Situation, gibt dem Familienglück und damit der Gattung Mensch noch eine Chance, allein weil es auf der schlechten Welt gute Mamas gibt.
1Regisseur Sykosch und seine Schauspieler geben sich redlich Mühe, die tröstliche Mama-Plotte der Serreau in eine gnädige E.T.-Groteske zu wenden. Dem Ensemble gelingt es immerhin, den finalen, in allen Fugen ächzenden dramatischen Auftrieb souverän wie schlitzohrig ins Ufo-Märchen abheben zu lassen. Schon dafür hat es den üppigen Premierenapplaus verdient. Michael Berger
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen