: „ichbinfrohdurchgehaldezuhobn“
Der heimgekehrte Sohn Looda Maddeus wird im Olympiastadion zu München glanzvoll inthronisiert/ Die romantische Wiederauferstehung wurde dank renitenter Wattenscheider und eines 1:1 getrübt ■ Von Helmut Schümann
MÜnchen (taz) — Und jetzt alle: Lothar ist wieder da, hurra, hurra! Alle, auch ihr in der Ecke. Nicht immer über die Zukunft der Zeitung grübeln, sondern freuen, jubeln, glücklich sein: Lothar ist wieder da. Und wenn Lothar wieder da ist, dann ist das: a) gut für den FC Bayern (hat Vizepräsident Beckenbauer gesagt); und was gut ist für den FC Bayern, ist b) gut für den deutschen Fußball (hat Wattenscheids Trainer Bongarts gesagt, bevor er gegen Lothar und die Bayern einen Punkt gewann); und was gut ist für den deutschen Fußball, ist c) gut für Deutschland (hat Kohl nicht gesagt, hätte er aber sagen können, weil es doch so wahr ist). Also, Deutschland, freu dich, Lothar ist wieder da.
Lothar Matthäus, der Mann ohne Punkt und Komma, der Mann des wunderbar atemfreien Statements („dertränerhodgsachtspielerstmolvonhindennausunichbinfrohdurchgehaldezuh obn...“); Lothar, der Mann mit dem schnellen Antritt und dem glasharten Schuß; Lothar, der Mann mit Vorliebe fürs „L“ im allgemeinen (Liebe, Lust und Leidenschaft) und fürs „Lo“ im speziellen (Lothar, Lolita und Loris, was für ihn selbst, seine neue Lebensabschnittspartnerin und beider gemeinsamen Sohn steht); Lothar, der Mann, ach, der Mann schlechthin auf dem Fußballplatz.
Der Looda Maddeus, wie er heißt, wenn er von sich selbst in dritter Person spricht, der Looda also ist so wichtig. Die Münchner Abendzeitung zum Beispiel widmete dem Heimkehrer aus Mailand in der vergangenen Woche täglich eine knappe Seite. Motto ist: Das Comeback des Jahres, gemeint aber wahrscheinlich das Comeback des Jahrzehntes, des Jahrhunderts, der Menschheit. 51.000 kamen gegen Wattenscheid, die meisten wegen Matthäus, der auch „garkeineproblemehatersteinmaldienummerdreitragenzumüssenaberaufdauerist dasfüreinenloodamaddeusnatürlichkeinelösung“. Italienische Reporter waren da, denen der Looda fließend-atemfrei, punkt-, gedankenstrich- und kommalos antworten konnte. Und der Pay-TV-Sender hatte sogar eigens eine Kamera nur auf Looda gerichtet während des Spiels gegen Wattenscheid. Ballkontakte wurden gezählt und seine Laufleistung per Computergraphik aufgezeichnet. Und in der Pause Lolita und Loris zu Lothar befragt. Unsereins ist nicht verschlüsselt, wir wissen nicht, was Lolita über die fußballerischen Qualitäten des Partners befand, können uns aber vorstellen, was Loris aus der Tiefe seiner in fünf Monaten gesammelten Lebensweisheit preisgab: „Rahbäh!“
Aber wer redet schon von fußballerischer Leistung am ersten Tag nach fünfmonatiger Pause. Der Looda ist, auch wenn er nach eigener Aussage „erstmalnurfrohistneunzigminutendurchgehaltenzuhabenundmansicherlichnoch einenbesserenloodamaddeuszusehenbekommt“, unheimlich wichtig. Er gibt den Bayern ihren alten Starkult zurück. Fleischer Houdek, Großmetzger in München mit vielen Filialen und im Verwaltungsrat des Vereins seit vielen Jahren einflußreich, entdeckte schon am ersten Tag wieder großväterliche Gefühle und trug Loris zur Pause in den Bereich für sehr wichtige Personen, derweil die Mama in die Kameras lächelte. Innenminister Stoiber stand etwas verlegen dabei, hätte wahrscheinlich auch gerne Loris umsorgt. (Man muß sich nicht wundern, wenn demnächst Wartelisten fürs Loris-Wickeln ausgegeben werden.)
Nun ist es ja nicht so, daß Lothar Matthäus völlig grundlos die Apotheose geschafft hat. Fußball spielt er wie kein zweiter, wenn auch am ersten Tag seiner Wiederauferstehung „nochkeinewunderdingevonmirzuerwartenwaren“. Immerhin hat er sich aber schon wieder eingeführt, eine gelbe Karte kassiert von Schiedsrichter Malbranc („völligzurechtwieichbetonenmöchteweildaszeigtjameinengagement“), ein paar kluge Pässe geschlagen und sich viele neue Freunde gemacht („ichunddefensivfürwelchezeitungschreibensiedenndasleipzigervolksblattac hdann“). Aber hat Beckenbauer wirklich recht, ist Loodas Rückkehr gut für die Bayern? Comeback Lothar Matthäus — erster Punktverlust der Münchner in dieser Saison. Comeback Lothar Matthäus — die Mannschaft spielt keineswegs so auf wie zuletzt in Dortmund. Eher so, als ob einige nicht zu ihrem Spiel angetreten wären, sondern zur Staffage der Einführungsvorstellung des Megastars. Nicht, daß der Looda das will. Beileibe nicht. Aber den Eindruck wurde man nicht los, daß die Mannschaft vor der Inthronisation einen anderen Zusammenhalt hatte als nachher. Vor zwei Wochen hatte Torwart Aumann flapsig dahergeredet, „der Lothar macht die Öffentlichkeitsarbeit, und wir machen die Punkte“.
Aber wenn der Looda am Ende doch nicht so gut ist wie die Bayern? Ist das dann auch nicht gut für den deutschen Fußball? Und vielleicht belanglos für Deutschland? Der ganze Rummel umsonst? Nein, nein, nein! Wir wollen fröhlich sein. Wie Looda uns immer gelehrt hat: „Manmußpositivdenken.“ Und jetzt wirklich alle: Lothar ist wieder da, hurra, hurra.
Wattenscheid 09: Eilenberger - Neuhaus - Prinzen, Bach - Emmerling, Kula, Daniel, Sobiech, Langbein (62. Tschiskale), Buckmaier (79. Sane) - Lesniak
Zuschauer: 51.000
Tore: 1:0 Thon (37./Foulelfmeter), 1:1 Sane (90.)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen