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Berlin: Potsdamer Platz

■ betr.: "In der Mitte geflickt", taz vom 12.9.92

betr.: „In der Mitte geflickt“ von Martin Kieren, taz vom 12.9.92

In dem Beitrag geht Martin Kieren von der Prämisse aus, daß jegliche Ein- und Anbindung des sogenannten Kulturforums an noch erhofftes städtisches Umfeld frevelhaft und unnötig ist und der Idee Scharouns widerspricht. Abgesehen davon, ob diese Ansammlung von stadträumlich kaum faßbaren unkorrespondierenden Solitärbauten am „Kulturforum“ respektive „Architekturpark“ eine glückliche Lösung darstellen, spricht doch nichts dafür, diese „Enklave“ über alle Zeiten als „Enklave“ retten zu müssen und sie weiterhin in diesem wüstenhaften Zustand zu belassen. Das Centre Pompidou in Paris zeigt doch, wie belebend städtisches Umfeld wirken kann; und Scharoun wollte doch nicht durch die östliche Abschirmung des „Kulturforums“ durch die Staatsbibliothek bezwecken, daß sich dahinter ostwärts städtebaulich nichts mehr entwickeln darf. Er selbst war es doch, der entgegen eines „Architekturparks“ ein ost- west-verbindendes „Kulturband“ anstrebte. Die Absicht einer konservierenden Selektion eines „Nutzungsquartiers“ („Kulturforum“) führt nicht weiter und behindert einen Stadtorganismus in seiner Entwicklung.

Es sollte genügen, daß Scharoun im Kontext ahistorischer Planungs- und Verkehrskonzepte durch die Querstellung der Staatsbibliothek die alte Potsdamer Straße gekappt hat, daß die Nord-Süd-Autotrasse das „Kulturforum“ durchschneidet und die Staatsbibliothek abtrennt. Dies ist der wirkliche Riß mit schier unlösbarer Konsequenz für das „Kulturforum“ — ihn als städtebaulichen Befund auf Teufel komm raus retten zu wollen, wäre absurd.

Sicher, den Riß durch die ehemalige Mauer hätte beziehungsweise sollte man als stadtpolitischen Befund dokumentieren und spürbar erhalten (hier ließen sich sicherlich vielfältige Möglichkeiten finden), aber hierdurch eine für diese Stadt lebenswichtige und urbanitätsfördernde Planung zu behindern, wäre unvernünftig. Es ist nicht nur der exklusiven Lebensart ehemaliger Flaneure und dem merkantilen Geist von Geschäftsleuten geschuldet, wenn wieder Wert auf stadtquartierverbindende, zu Fuß begehbare, atmosphärische Promenaden mit stadträumlichem Anspruch gelegt wird. Gerade wenn wir uns ein Stück weit vom Auto entfernen wollen, müssen dem Fußgänger unkommerzielle Angebote in der Stadt gemacht werden, die ihm Lust an der Stadt bereiten und zum Spazieren und Verweilen einladen. Unstädtische Zwischenzonen, wie wir sie aus den fünfziger, sechziger, siebziger Jahren kennen, zum Beispiel Schöneberg zwischen Grunewaldstraße und Wittenbergplatz, lassen solche Wege nur mit Widerwillen zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen.

Neues Denken in der Architektur und Stadtplanung seit den achtziger Jahren unter Eingedenken historischer Stadtkonzepte, ließe hoffen, wenn nicht durch Konservierung von Stadtbrachen, „Sollbruchstellen“, Stadtrissen und Solitärikonen als städtebauliche Befunde einer weiteren Enturbanisierung und Zersiedelung das Wort geredet würde — derweilen sich gerade junge Architekten mit Vorliebe Altbauwohnungen, Dachausbauten und Fabriketagen für ihre Wohn- und Bürozwecke aneignen. Werner Brunner, Berlin

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