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DIE KLEINE MEDIENPRAXIS — FRAU DR. MONIKA ÜBER POLITIKER

Neulich bat mich einer unserer höchsten Volksvertreter um Rat in einer schwierigen Frage. Das ist zwar grundsätzlich nichts Neues, denn die Beratung von Politikern im Umgang mit den Medien hat nicht nur bei uns Doktoren Tradition, sondern ist auch bei den Journalisten gang und gäbe. So haben sich Mitarbeiter verschiedenster Sender, darunter auch und gerade die Öffentlich-Rechtlichen, bislang nicht gescheut, ihre potentiellen Interviewpartner darin zu unterrichten, wie sie ihren bohrenden Fragen am besten aus dem Weg gehen. Andere haben, ohne mit der Wimper zu zucken, die Fronten gewechselt, sind vom Journalismus in die Politik gegangen oder umgekehrt.

Eine ganze Reihe dieser Spezies hat gar bis heute den Unterschied zwischen beiden Berufsbereichen nicht kapiert und ist fleißig auf allen Seiten bei der Sache. Kurzum, Beratung und Umgang mit Politikern war und ist in dieser Zunft ein einträgliches Geschäft.

Neulich kam jedoch der oben angesprochene Patient mit einem ganz anderen Problem zu mir. Nachdem der amerikanische Vice-President im regelmäßigen Briefkontakt mit der Serien-Heldin Murphy Brown steht und sogar ihrem unehelichen Sohn einen Spielzeugelefanten geschickt hat, habe er nun überlegt, sich auch um einen Serienhelden zu kümmern. Schließlich habe Murphy Brown in einer ihrer letzten Serien sogar den Vizepräsidenten direkt angesprochen, und so ließe sich doch ein publikumswirksamerer Dialog eröffnen als ewig diese „Brennpunkte“, „Was nun, Herr ...?“ oder ähnlich dröge Fernsehauftritte. Da ich ja auch dem Kollegen Töpfer die rege Korrespondenz mit Hubertchen in der Münchner Lindenstraße vermittelt, Innenminister Seiters einen Platz in dem formidablen Haus am See neben Hildegard Knef zugeschanzt und Verkehrsminister Krause ein feuriges Rendezvous mit Vera Wesskamp vermittelt habe, hätten seine Berater ihm einen Termin in meiner Praxis empfohlen. Er habe sich auch schon so seine Gedanken gemacht und sei zu dem Schluß gekommen, sich mit Richard Kimble in Verbindung zu setzen. Dieser arme Mann sei nun schon seit Jahrzehnten auf der Flucht, und er wolle ihm, solange das noch möglich sei, Asyl gewähren.

Neue Zeiten erfordern neue Strategien, das haben unsere Verbündeten jenseits des Großen Teiches zuerst erkannt. Was ist schon das ordinäre Wählervolk auf der Straße gegen eine, wenn auch elektronisch, landesweit präsente Journalistin? Und wer ist schon Bill Clinton gemessen an einem Bart Simpson, der den großen weißen Häuptling im Schachern um die Einschaltquoten lässig an die Wand spielte?

Seit auch hierzulande klar ist, daß nun das Imperium zurückschlagt, reißen sich unsere Volksvertreter um meine Hilfe. Nobbi Blüm will wissen, ob ich nicht dafür sorgen könnte, daß die „Hesselbachs“ endlich mal wieder ins Erste Programm kommen, Klaus Kinkel möchte sich mit den „Eurocops“ in Verbindung setzen, und Volker Rühe sucht nach der Telefonnummer von Mister Spock. Konsequenterweise möchte ich mich deshalb von Ihnen verabschieden, neue Pflichten rufen. In der Hoffnung auf eine kompetente Nachfolgerin für die kleine Medienpraxis verbleibe ich

mit herzlichen Grüßen

Ihre

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