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Herr und Frau Mob

Nachrichten aus dem eigenen Nest  ■ Von Gabriele Goettle

Großmutter mit Kinderwagen, in dem ein zartes Büblein schlummert. Sie sitzt im Café auf dem Marktplatz unter einem Sonnenschirm, ißt Eis und klagt über die Fremden in der Plattensiedlung am Rande der thüringischen Kleinstadt:

„Da, wo ich wohne, kann man schon gar nicht mehr raus, so verdreckt wie alles ist von den Zigeunern. Und das geht ja schon Jahre so, erst kamen die Afrikaner, die haben alle Wohnungen demoliert. Dann kamen Griechen oder sowas, alles Freundschaftsvertreter, Asylanten, denen hat man Arbeit gegeben bei uns, ihnen alles vorn und hinten reingesteckt. Dann sind sie abgedampft und haben das ganze Mobiliar mitgenommen. So, dann sind die Vietschis gekommen. Damals ham wir uns gedacht in der Siedlung, na, das sind die Schlimmsten, die machen prinzipiell Geschäfte, kaufen unsre ganzen Sachen auf und schicken alles nach Hause, aber das Gesockse, das wir heute da zu wohnen haben, aus Rumänien, das ist der allerletzte Dreck. Die klaun wie die Raben, Wasser und Seife kennen die genausowenig wie ein Klo. Man kann da nicht mal mit dem Wagen langgehn, die spucken mir das Kind an, wenn ich keine Mark gebe. Also mit Ausländern, da können Sie uns jagen hier!“

Leiter eines Sozialamtes in ostdeutscher Industriestadt. Er, Ende Dreißig, hat den Sprung aus der unteren Ebene der alten Administration in diese Position geschafft. Sein Amt ist in einer ehemaligen NVA-Kaserne untergekommen. Im Gebäude wird noch renoviert, alles ist in der neuen Lieblingsfarbe Weiß gestrichen, die preußischen Flure, Fenster und Türen wirken postmodern. In diesem Ambiente sitzt vereinzelt die Klientel: zusammengesunken vom Warten, mit zerknitterten Gesichtern, Ödemen, Bierbäuchen, die heruntergerauchte Kippe zwischen den gelben Fingern. An Aschenbechern hat man noch nicht gedacht, behördlicherseits. In der Chefetage ist kein Publikumsverkehr, die Büroräume schimmern grün, so viele Pflanzen hat man sich angeschafft. Stahlrohrmöbel, Aluminium-Jalousien, bequeme Drehstühle, moderne Computertechnik, alles in Schwarz und Weiß, vervollständigen die Einrichtung. Der Amtsleiter kann seinen Stolz nicht verbergen:

„Fast schöner als zu Hause... Aber was die Arbeit betrifft, die kommt erst noch auf uns zu. Im Moment ist es noch nicht so, daß der normale Bürger in den Bereich der Sozialfürsorge fällt, der ist ja noch auf der Arbeitslosengeld-, ABM- oder Umschulungsstrecke. Was jetzt zu uns kommt, das sind alte Kandidaten, die waren schon zu DDR-Zeiten nicht in der Lage, ihr Leben ordentlich zu führen. Das betrifft nur die untere Schicht in der Regel.

Aber wir haben ja auch das Asylwesen am Hals. Also, da können Sie was erleben. Ich habe dauernd Ärger mit unserem Asylantenheim, da vergeht kein Tag, wo ich nicht Meldungen kriege, was schon wieder passiert ist. Ich hab das Heim ja erlebt, damals, kurz vor der Fertigstellung, bei der Einweihung und dann jetzt, vor ner Woche. Das war ja ehemals für vietnamesische Arbeiter errichtet. Aber wenn Sie das jetzt sehen, wie das aussieht, eingeschlagene Scheiben, eingetretene Türen, rausgerissene Toiletten, alles verdreckt und beschädigt. Die Lebensmittel, die wir denen ausgeben, liegen überall auf der Erde rum, drinnen und draußen. Die schmeißen, was ihnen nicht schmeckt, einfach weg.

Wir kriegen die Überstellung aus den Altbundesländern. Die Menge ist einfach zu groß, das bringt uns nur Probleme. Die Leute sind ja nicht froh und dankbar, daß sie Aufnahme finden und ernährt werden, nein, sie wollen unbedingt Bargeld statt Lebensmittel. Dann haben wir dort kriminelle Delikte in allen Schweregraden, vom einfachen Diebstahl aus den umliegenden Schrebergärten bis hin zu Einbruch, Raub und schwerer Körperverletzung. Sie glauben gar nicht, was da reingeht, abends halten die Lastwagen im Hof, und da wird das Diebesgut tonnenweise reingetragen, Videoanlagen, Rechner, alles. Und vor der Tür stehn die dicken Fahrzeuge. Ja, muß ich so einem Jugoslawen, der hier mit so nem Schlitten vorfährt, noch Geld auszahlen? Ich muß! So sind die Gesetze. Mir sind die Hände gebunden.

Und dann natürlich die Probleme mit den Rumänen, das sind alles Romas, die machen nicht mal den Versuch, sich an das Gastland etwas anzupassen, die wollen sich gar nicht integrieren, sind ja sogar zu Hause Fremde. Die haben so eine Mentalität, daß sie kommen und nehmen, was zu holen ist. Wenn das der Arbeitslose sieht, daß die alles umsonst kriegen von uns, Essen, Unterkunft, Kleidung, Taschengeld, ärztliche Behandlung usw., wo er hat vorher dafür schuften müssen, dann sieht er natürlich rot! Ist klar!

Wir haben zum Beispiel die Verpflichtung, Spätschäden nicht zuzulassen. Also stellen die hier ihren Asylantrag, und dann gehn sie zuerst mal zum Arzt mit der ganzen Sippe. Von denen ist ja jeder krank. Dann lassen sie sich da behandeln, Krätze weg, Würmer weg, alles, und dann gehn sie zum Zahnarzt und lassen sich ihre Gebisse vollkommen sanieren, Jung und Alt. Das kostet uns Hunderttausende, die wir ja an sich dringend bräuchten. Und die haun ab, machen sich aus dem Staub, keiner weiß, wohin...“

Frau mit Kittelschürze, an ihrer Seite der 20jährige Sohn, eine Udo-Lindenberg-Kopie in schwarzem Leder. Sie tragen zwischen sich einen Korb mit leeren Flaschen. Das Sonnenlicht schimmert durch die Alleebäume, ab und zu kräht ein Hahn, auf dem Dach des Gutshauses sitzt ein Storchenpaar. Dem durchreisenden Fremden scheint dieses winzige Dorf in Mecklenburg-Vorpommern eine Oase der Ruhe und des Friedens zu sein.

Mutter: Wir warten jetzt hier, bis der Wagen kommt, uns ham sie ja alles zugemacht hier, Konsum, Post, alles. Wer keine Fahrerlaubnis hat, kann auch nicht zu Aldi. Ham wir das verdient, daß uns alles genommen wurde ohne Ersatz? Wir mußten schließlich auch hart hier arbeiten, da solln wir mittemal von Null anfangen?

Sohn: Nee, das ist nicht korrekt. Aber, Mutti, das is nu mal nich anders, da kannst Du als kleiner Mann nichts machen...

Mutter: Die von drüben solln mal nich so großkotzig sein, nä, wir hatten hier genug damit zu tun, Karl- Heinz zu ernähren...

G: Karl-Heinz?

Mutter: Ach, das wissen Sie nich? Das ist der Russe...

Sohn: So hieß bei uns der Russe...

Mutter: Und wen müssen wir jetzt ernähren? Die von Rumänien und Dings...

Sohn: Die Jugos.

Mutter: Von Jugoslawien, ja, die ganzen Ausländer. Wie kommen wir denn dazu, sollen das doch andere machen. Soll man die doch mal ganz schnell rausschmeißen, alle miteinander, so bekommen sie einen Haufen Geld und für was?

Sohn: Das solln sie lieber uns geben.

Mutter: Nee, im Gegenteil, uns nehmen sies noch weg für die! Uns tun sie alles erhöhen, alles steigern, Preise, Mieten... ob wir das zahlen können oder nicht, interessiert da oben keinen.

G: Haben Sie Geldsorgen?

Mutter: Nee, nee! Uns persönlich gehts gut. Ich will mal so sagen, so gut, wies uns jetzt geht, isses uns vorher nie gegangen. Ich bin in den Vorruhestand gegangen, mein Mann hat noch Arbeit als Fahrer, mein Junge hier is derzeit noch arbeitslos. Trotzdem ham wir mehr Geld als früher, wo drei gearbeitet ham. Nee, also klagen direkt kann ich eigentlich nicht. Aber wie vielen gehts schlechter, und schlimm ists auch für die Jungen, die wegmüssen...

Sohn: Müssen? Is doch total öde hier, nichts los. Ich geh in die Stadt, wo Action is und so, hier kannste doch nur rumhängen...

Mutter: Da hörn Sies, der Junge hatte hier sone schöne Arbeit als Traktorist, sonst kann er ja nichts.

Hinterzimmer eines Zigarettengeschäftes in einer nordhessischen Kleinstadt: Mutter (70) und Tochter (45) sitzen bei Kaffee und Kuchen, wie es an Sonntagnachmittagen üblich ist in Deutschland.

Mutter: Du, da hat doch dieser Judenladen aufgemacht bei uns...

Tochter: Türkenladen.

Mutter: Was?

Tochter: Ein Türkenladen ist das!

Mutter: Gehst du da kaufen?

Tochter: Bestimmt nicht! Ich erlebe ja ihre Kultur hautnah. Sie müssen wissen, ich wohne in einem Türkenhaus. Also die Frau ist 29, hat bereits drei Kinder geboren und erwartet nun das vierte. Deshalb hat man mir auch gekündigt. Mir hat ja mal eine Türkin erzählt, daß die Türkinnen die Pille nehmen. Aber anscheinend falsch. Er ist ja ein etwas brutaler Typ, die Frau unterwirft sich, die Frauen dürfen nichts, die Männer alles!

Mutter: Genau wie bei den Juden früher...

Tochter: Und dann dieser ständige Besuch. Da kommen manchmal 60 bis 70 Personen ins Haus, jeden Abend ist was los, bis mitten in der Nacht geht das oft. Da essen sie dann zusammen, weil sie im Moment den Fastenmonat haben, und tagsüber dürfen sie ja nicht. Das ist einfach grauenvoll, mit den Gerüchen, wenn man keinen Knoblauch mag, so wie ich.

Mutter: Ich bin strikte gegen Knoblauch, bei uns war der Ausdruck immer dafür: Du Stinkejud.

Tochter: Und dann, das Schrecklichste, ich hab gesehn, wie sie auf dem Balkon an einem Hammelkopf oder sowas rumgeschnitten haben.

Mutter: Genau, die schlachten doch koscher, das hab ich selbst mit eigenen Augen gesehen, wie so ein kleiner Jude von der Stadt gekommen ist, der zieht das Messer aus der Scheide und schneidet, und ob das dann tot ist oder nicht, es muß langsam verbluten, das ist doch unmenschlich, sowas!

Tochter: Die Türken essen ja alles vom Hammel, sogar die Augen und... na, ich sags lieber nicht...

Mutter: Die Juden essen nur das Vorderteil vom Tier. Das Hinterteil haben sie für uns übriggelassen, weil das nicht koscher ist. Ostern gabs immer billig Lammkeule zu kaufen.

Tochter: Am Anfang haben sie mich ja sogar mal eingeladen zum Essen, aber ich konnte nichts runterkriegen von dem Zeugs, da waren sie wohl beleidigt... Jedenfalls haben sie mir jetzt gekündigt, und ich bin auch heilfroh, daß ich da rauskomme, man bekommt ja einen solchen Haß mit der Zeit, alle Fortsetzung nächste Seite

Fortsetzung

meine Sachen riechen, auf dem Amt fragen sie mich, was ich gegessen hab am Abend...

Mutter: Ich habs Dir ja gleich gesagt, zieh da raus, man soll nicht zu nah mit solchen Leuten verkehren, sonst sitzt man eines Tages mit in der Patsche.

Emeritierte Professorin, Geisteswissenschaftlerin, in einer süddeutschen Universitätsstadt, im Garten hinter ihrem Häuschen sitzend:

Schrecklich, was da jetzt passiert, Nacht für Nacht, die Ausschreitungen gegen die Ausländer, ein Skandal ist das! Ich habe mich gefragt, woran das liegt, daß ausgerechnet die sozialistisch erzogene Jugend sich haßerfüllt auf fremde Menschen wirft, die ihre Heimat verlassen mußten. Liegt es am Fehlen einer christlich-humanistischen Ethik, eines moralischen Impulses, oder ist es Rache an der verordneten Völkerfreundschaftsideologie? Ich weiß es nicht. Jedesmal geht mir das durch und durch, wenn ich diese Frisuren sehe, die Gesichter, den erhobenen Arm und all die abgestandenen Parolen, die wir nur zu gut kennen. Wie kommen sie nur dazu? Was geht in diesen Köpfen vor, was in denen der Eltern, die noch mit Stolz erfüllt bei den Krawallen zusehn? Das ist eine Schande, wir machen uns schon wieder überall in der Welt sehr beliebt. Andererseits, es zeugt nicht von allzuviel politischer Sensibilität, wenn man den neuen Bundesländern solche Ausländerquoten aufbürdet und die dann auch noch auf soziale Brennpunkte verteilt. Und eins muß ich sagen, da würde ich gerne Ihre Meinung hören. Seien wir doch mal ehrlich, es ist ja wirklich ein Problem mit den Zigeunern, oder Romas, wie man sie nennt. Ich war selbst vor Jahren in Rumänien und habe mir dort ein Bild machen können... aber in anderen Ländern ist es ebenso... sie verweigern jegliche Assimilation, die einzige soziale Struktur, der sie sich fügen, ist die des Familienclans. Wenn also jemand von seiner ganzen Kultur und Sozialisation her es eigentlich ablehnt, ein Staatsbürger zu sein, wenn er gar nicht die Absicht hat, sich anzupassen, gewisse Gesetze und Sitten zu beachten, dann kann er im Grunde ja auch keinen Asylanspruch geltend machen bei uns?

Da stehn sie nun, Herr und Frau Mob, weithin erkennbar im Widerschein brennender Flüchtlingsheime, und geben ihrem Volksempfinden Ausdruck. Deutsche Menschen können keinen Trost mehr finden beim Gedanken daran, daß es anderen schlechter geht. Angesichts der Armen, die sich überall im Ausland aufmachen, um ihr Elend im Herkunftsland desselben zu bekämpfen, kommt zunehmend Mißgunst auf. Sie müssen zurückgewiesen werden, die Schmarotzer in unseren Flüchtlingsheimen. Sie nehmen unsere eigenen Gesetze für sich in Anspruch und verwandeln unser blühendes Gemeinwesen in ein Armenhaus. Der Weltverschwörung des internationalen Ausländertums gegen uns muß Einhalt geboten werden.

„Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!“ lautet die Parole, unter der sich Menschen aus Ost- und Westdeutschland versammeln, zusammengeschmiedet, durch das was sie bewegt, den einigenden Heimwehrgedanken. Man sieht sie schon überall im Lande: die fest geschlossenen Reihen, die ruhig festen Tritte gegen Schädel von Afrikanern. Immer kleiner wird das Grüppchen derjenigen, die sich noch einen Funken Menschlichkeit bewahren konnten und zu bedenken geben: „Was kann der Afrikaner dafür, daß er schwarz ist!“ Herr und Frau Mob hingegen interessieren sich nicht mehr für die Schuldfrage, bei ihnen ist die Akzeptanzschwelle längst überschritten, sie wollen Taten sehen. Nun wissen sie endlich, weshalb sie sie großgezogen haben, die Söhne und Enkel, die dastehen wie aus Speck gemeißelt und mit dem Gurgellaut „Därrführerrrläbt!“ ihre Brandsätze hoch hinauf bis zum fünften Stock schleudern, um dem gemütlichen Asylantenleben auf unser aller Kosten endlich ein Ende zu machen.

Nein, als Rechte kann man Herrn und Frau Mob nicht bezeichnen. Sie sind stolz darauf, Deutsche zu sein, ebenso, wie jene Muttis, die ihren Söhnen beim Abschied zurufen: „Junge, wenn du nach Hause kommst, zieh bitte die Stiefel aus und trag mir nicht wieder das ganze Blut in die Stube, du weißt doch, wie empfindlich die neue Auslegeware ist!“ Das hat mit rechts nichts zu tun, diese Menschen sind vollkommen unpolitisch, wollen nichts weiter, als ihre Arbeit, bezahlbare Miete und bessere Lebensqualität von den Asylanten zurückhaben. Der Jugend hingegen geht es um mehr. Was sind schon Arbeitsplatz und Jugendclub gegen das Eintreten von Augenhöhlen, das Entzünden von Benzin unter schlafenden Kindern? Politiker, Richter und Gesetzeshüter halfen Hemmschwellen mit abbauen durch unmißverständliche Anerkennung der Gemeinnützigkeit solchen Handelns. Wird dadurch doch am anschaulichsten dargestellt, wie eine anerkennenswerte politische und rassische Verfolgung in etwa auszusehen hätte. Aber nun ist es soweit, dank der vom Volke ausgehenden Gewalt dürfen die vier störenden Worte endlich aus dem Artikel 16, Abs. II unseres Grundgesetzes entfernt werden.

Leider wird draußen in der Welt vieles mißverstanden, besonders die Bedeutung unserer Geschichte für uns. Kein anderes Volk kann verstehen, wie wir wurden, was wir sind: Dies durchgehalten zu haben und dabei — abgesehen von Ausnahmen menschlicher Schwächen — anständig geblieben zu sein, das hat uns hart gemacht. Aber der ausländische Investor oder das fremdrassige Kapital aus Japan haben nichts zu befürchten. Was die Olympischen Spiele betrifft, so hat Deutschland bereits 1936 aller Welt bewiesen, daß bei uns ein fairer Sportsgeist herrscht. Für Sicherheit und Komfort unserer Gäste garantieren wir, ordentliche Polizeiarbeit war in diesem Land noch nie ein Problem.

Aber wie ich es auch drehe und wende, es ist hier kein moralisch sauberes Rauskommen mehr.

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