: Nachschlag
■ Hot House Improvisationen in der Tanzfabrik
In Guckkastenbühnen sitzt man vor dem geschlossenen Vorhang oft voller Spannung. Alles scheint hinter den Stoffbahnen möglich zu sein. Bis sie sich öffnen, sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Leider sind Vorhänge mittlerweile weitgehend aus der Mode. Daß die Vor-Spannung, die sie erzeugen, auch mit anderen Mitteln erreicht werden kann, war am Wochenende in der Tanzfabrik zu erleben.
Vier Tänzer stimmten auf den Abend ein, indem sie sich im unbeleuchteten Raum bewegten. Nur schemenhaft waren die Umrisse der Körper zu erkennen, Bewegungen waren mehr zu ahnen, als tatsächlich zu sehen; Neugier wurde geweckt. Und es blieb aufregend, als dann das Licht anging. In vier kleinen Stücken präsentierten Lance Gries aus London, Howard Sonenklar aus New York gemeinsam mit Dieter Heitkamp und Kurt Koegel von der Berliner Tanzfabrik an drei Abenden Tanzimprovisationen, die sich durch sparsamsten Einsatz technischer Mittel auszeichneten. Die Bühne wurde nur durch kleine Strahler beleuchtet, die die Tänzer selbst an- und ausschalteten; Musik wurde kaum verwendet. Ausschließlich der Körper in seiner Bewegungsvielfalt bestimmte die Vorstellung.
Mit »Hot House«, so hieß die Veranstaltung, nahmen die Berliner eine Anregung aus Amerika auf, wo es diese Art von Improvisationen schon seit Jahren gibt. In der Tanzfabrik waren beim ersten Treffen nur Tänzer vertreten; für weitere Veranstaltungen ist geplant, Künstler aus unterschiedlichen Bereichen der darstellenden Kunst einzuladen. Aus den gezeigten Arbeiten ragte Lance Gries heraus, der den berühmten Hamletmonolog »To be or not to be« in Körpersprache umsetzte. Der von ihm selbst gesprochene Text wurde zur Musik; die Worte schienen sich anfangs in Bruchstücken aus seiner Kehle zu lösen. Der Rhythmus der Sprache gab einerseits Haltungen vor, veränderte sich aber auch aus der Bewegung heraus. Sprache und Körper bedingten einander, flossen zusammen und wurden wieder zu entgegengesetzten Polen. Das aufgebaute Spannungsfeld wurde räumlich durch einen von oben strahlenden Lichtkegel begrenzt, in dem der Darsteller gefangen war. Inwieweit der Rahmen der gezeigten Stücke vorgegeben war und wieviel von den Tänzern tatsächlich improvisiert wurde, ist bei einem einmaligen Besuch schlecht einzuschätzen. Besonders beim Duo Heitkamp/Koegel schien der perfekte Umgang der beiden Körper miteinander auf eine inszenierte Choreographie hinzudeuten — was den Genuß des Zuschauens allerdings in keiner Weise beeinträchtigte. Sibylle Burkert
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