„Und reich werden, das ist mein Ding“

■ Warum Ingo Beck (24) in Sachen Musik alles mit allen macht: Von den „Pipinsburglerchen“ bis zum Computersound der Avantgarde

Er ist 24 Jahre alt und ein smarter junger Mann: Ingo Beck, ein Bremerhavener Musikus in allen Gassen. Wenn man seine Aktivitäten im weiten Bereich der Unterhaltungsmusik anschaut, dann müßte er eigentlich zwei Leben haben, und sein Tag 36 Stunden. Er leitet zwei Chöre, spielt Keyboard in zwei eigenen Bands, gibt Unterricht an der Musikschule und arbeitet im ZEM, im Bremer Zentrum für elektronische Musik. Er spielt auf bei Hochzeiten und in Szenekneipen, in der Bremerhavener Arbeiterkammer und auf Altenabenden.

„Ich bin ein Prostituierter in diesem Geschäft“, sagt er freimütig, „ich verkaufe mich. Das ist hart, aber ich verdiene gut.“

„Doc Dent“, das ist die 6-köpfige Band, in der Ingo Beck die Musik machen kann, die er selber liebt. Eigene Songs im Stil von Eric Clapton, Nik Kershaw, James Taylor. Wie aber vereint er damit seine Tätigkeit als Chorleiter des Seniorenchors „Die Pipinsburglerchen“ aus Langen-Sievern bei Bremerhaven? Durchschnittsalter 50 Jahre, mit einem Repertoire vom „Kufstein“-Walzer bis zum Weserlied. „Naja,“ erklärt Ingo Beck gutgelaunt, „wir singen die härtesten folkloristischen Sachen, die du dir denken kannst. Aber es ist toll, mit über 60 Leuten zu arbeiten und 15 Auftritte im Jahr zu haben. Ich war mit 14 selbst in dem Chor und dann mit 19 Chorleiter. Die Leute duzen mich noch von früher her, ich sieze sie.

Hochzeiten, Altenabende, 2 Chöre, 2 Bands, Computertüftelei usw. - und nebenher hauptberuflich Musiklehrer: „Ich bin ein Prostituierter in diesem Geschäft“, gesteht Ingo Beck. „Das ist hart, aber ich verdiene gut“

Aber das soll mir recht sein. Solange ich mich durchsetzen kann — und das kann ich. Ein gutes Training...“

Parallel zum Seniorenchor hat Ingo einen Jugendchor gegründet, die „Flat Notes“. Die singen alles was gängig ist, englisch und deutsch. Beatles, Simon and Garfunkel und „Mein kleiner grüner Kaktus“. „Wir machen oft gemeinsame Chorfahrten. Vorn im Bus grölt der Jugendchor, hinten singen sie „Kufstein“. Die Alten sind oft eifersüchtig auf die Jugendlichen, wenn nämlich zuviele englische Lieder gesungen werden, was die Pipinsburglerchen gar nicht mögen.“ Neben der Volksmusik und den Popsongs steht in Ingo Becks musikalischem Leben seine Tanzband mit dem bezeichnenden Namen „No Problemo“. „Wir spielen alles! Was die Leute eben so wollen auf Vereins- und Familienfesten. Früher haben wir auch für die SPD und die FDP gespielt, aber als wir auch ein Angebot von der CDU bekamen, haben wir uns gesagt: nie wieder für eine Partei.

Und dann gibt es da noch das Bremer Zentrum für elektro- akustische Musik (ZEM), ein Zusammenschluß von Musikexperimentatoren: 14 Techniker und Musiker, die mit Geräuschen spielen, neue Computer- Kompositionsmethoden entwickeln, Notations-Systeme ausprobieren und sich gegenseitig ihre Synthesizer vorstellen. Und die Mitgliedschaft im „Arbeitskreis Bremer Komponisten“, der Konzerte und Workshops für die Bremer Musikszene organisiert. Und den „Verband deutscher Rockmusiker“, und — „ach, ich kann wirklich nicht alles aufzählen, was ich mache, du würdest es doch nicht glauben.“

Kaum zu glauben ist in der Tat, daß Ingo seit den Sommerferien sein Referendariat angefangen hat, als Lehrer für die Fächer Deutsch und Musik. Und, daran kann es schon gar keinen Zweifel mehr geben, auch das macht ihm Spaß, auch den Unterricht geht er mit vollem Einsatz an. „Ich glaube, die Schüler haben noch nie so einen Musiklehrer gehabt. Ich habe ja alle Stile drauf, Wagner ebenso wie Meredith Monk. In einer Leistungskursklausur kriegten alle einen Walkman aufgesetzt und mußten das Wort-Ton-Verhältnis untersuchen. Nicht von Schubert, wie üblich, sondern von Herbert Grönemeyer. Das fanden die natürlich toll“.

hierhin bitte

die Tanzkapelle

Woher kommt diese ungeheure Energie? Ingo lacht wie ein Junge, der ungebrochen an seinen Traum glaubt: „Ich bin kein genialer Musiker. Aber ich bin der geborene Organisator. Um reich zu werden, muß man beides sein. Und reich werden, das ist mein Ding. Ich könnte es schaffen!“ Cornelia Kurth