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Bonn will Hoheit über Atommüll

■ Durch die Novellierung des Atomgesetzes sollen die rot-grünen Bundesländer entmachtet werden

Bonn (taz) — Das novellierte Atomgesetz, das Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) noch in diesem Herbst vom Bundeskabinett beschließen lassen will, droht aus Sicht der Landesatombehörden vor allem ein Atombeschleunigungsgesetz zu werden. Nach dem Text des Gesetzentwurfs, der der taz vorliegt, soll den Landesbehörden unter anderem jede Zuständigkeit für die Genehmigung von Atommüllendlagern genommen werden. Mit Inkrafttreten des Gesetzes soll die Kompetenz für Planfeststellung, Genehmigung und Aufsicht allein dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) übertragen werden. Damit verlöre etwa die niedersächsische Umweltministerin Monika Griefahn jeden Einfluß auf das Genehmigungsverfahren für das Endlager Schacht Konrad.

Die Kompetenzverlagerung würde dazu führen, daß das BfS — es ist heute zuständig für den Bau und Betrieb von Atommülldeponien und selbst Antragsteller für Schacht Konrad — einige Jahre lang Richter in eigener Sache wäre. Die Verantwortung für Bau und Betrieb der Endlager soll das Bundesamt laut Gesetzentwurf erst fünf Jahre nach Inkrafttreten der Novelle an private Betreiber abgeben. Daß Bau, Betrieb und Genehmigung für die fünfjährige Übergangszeit in einer einzigen Hand vereint wären, finden selbst Experten im Bundesumweltministerium „nicht so schön“. Trotzdem sei diese Regelung unumgänglich, um den Endlagerbau voranzutreiben. Ähnliche Konstellationen gebe es auch bei der Bundesbahn. Öffentlich lobt Töpfer seinen Entwurf für ein neues Atomgesetz immer noch als „Beitrag zum parteiübergreifenden Konsens“. Tatsächlich läßt sich schon jetzt absehen, daß es im von der SPD dominierten Bundesrat zu heftigen Auseinandersetzungen kommen wird. So ärgern sich einige Landesumweltministerien über weitere Paragraphen, die geringere Klagerechte für betroffene Bürger vorsehen und die Länder in verschiedener Hinsicht entmachten. So soll eine einzige atomrechtliche Genehmigung künftig mit „umfassender Konzentrationswirkung“ alle anderen bau- und umweltrechtlichen Genehmigungen „ersetzen“. Einzelne Behörden sollen, nachdem die Atombehörden mit ihnen intern „Einvernehmen“ hergestellt haben, nicht mehr mit „widersprechenden Entscheidungen“ querschießen können.

Auch an anderer Stelle wird der Gesetzentwurf den vollmundigen Ankündigungen nicht gerecht. So hatte Töpfer öffentlich erklärt, das Gesetz verlange als Vorsorge für Atomunfälle von den Betreibern statt der jetzt als Höchstgrenze geforderten 500 Millionen Mark künftig eine Versicherungsvorsorge in Höhe mehrerer Milliarden. Nach dem Wortlaut von Töpfers Novelle wird das Versicherungsrisiko tatsächlich vor allem der Staat tragen müssen. Da der deutsche und internationale Versicherungsmarkt zur Zeit AKW-Unfälle nur bis zu einer Höchstsumme von einer Milliarde versichern könne, müsse der Bund künftig selbst in die Pflicht treten und ähnlich einer „Haftpflichtversicherung“ die Deckungsvorsorge gewährleisten. Die AKW-Betreiber sollen für diese Leistung des Staates Entgelte bezahlen. Hans-Martin Tillack

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