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Tierische Verführer

■ Im ersten Dschungelbuch der Werbung

Auch die taz gehört dazu. Zu den Unternehmungen, deren Erscheinungsbild durch ein absolut tierisches Logo gekennzeichnet ist. Ein gutes Logo, um sich mal selbst zu loben. Auf samtweicher Pfote kommt es leise daher, um dann an der Oberfläche zu kratzen, daß ganz schön schmerzhafte Spuren hinterbleiben.

Ob im Vergleich dazu das Logo- Tier der documenta 9 glücklich gewählt war, das das hypertrophe Kunstereignis gleich mit seinem Schwanengesang in Verbindung zu bringen schien, sei hier nicht erörtert. Auch Bazon Brock, der mit einem Interview im Katalog der Ausstellung des deutschen Werbemuseums über die „Tiere in der Werbung“ vertreten ist, hält sich hier, obwohl Kunstzirkus-erfahren wie wenige, zurück; er weiß vielmehr zu berichten, daß Tiere die weiblichen Allegorien der Antike abgelöst haben. Die Freiheit ist keine Dame mehr, sondern ein Pferd. Auch sonst beherrscht das Reich der Tiere die allegorische Darstellung von Abstrakta wie Schnelligkeit, Zähigkeit, Gutmütigkeit, Treue oder Riesenwaschkraft und verdrängt in der Werbung zunehmend die Motive mit plump sexueller Anmache. Leider ist der Katalog mit der heißen Nadel gemacht: Das Gespräch mit Bazon Brock endet mit der Verheißung einer geradezu genialen Anekdote auf Seite 23 im Aus. Wir wissen nicht, ob er nicht doch noch über den Schwan gesprochen hat.

Überhaupt hat dieses Buch einen gewaltigen Pferdefuß. Es besteht gut zur Hälfte aus (nicht als solche ausgewiesenen und obendrein mit selbst mit Tiermotiven werbenden) Anzeigen— neben den themabedingten Anzeigenmotiven im redaktionellen Teil— und kostet dennoch teure 78 Mark. In dieser Form ist es also unmöglich zum Kauf zu empfehlen, obwohl es sonst eine anregende, kurzweilige und informative, dazu reich bebilderte, kulturhistorische Angelegenheit ist. Auf der Konferenz der Werbetiere geht es fast so zu wie im berühmten Vorwort von Michel Foucaults Buch „Die Ordnung der Dinge“, wo eine gewisse chinesische Enzyklopädie zitiert wird, in der es heißt, daß „die Tiere sich wie folgt gruppieren: a) Tiere, die dem Kaiser gehören, b) einbalsamierte Tiere, c) gezähmte, d) Milchschweine, e) Sirenen, f) Fabeltiere, g) herrenlose Hunde“ und „k) die mit einem ganz feinen Pinsel aus Kamelhaar gezeichneten Tiere“. Wobei zu sagen ist, daß die letzteren in der Tat eine besondere Art darstellen, denn nirgendwo blieb in der Werbung die Illustration so lange vorherrschend wie beim Tiermotiv. Gleichzeitig ist eine der frühesten Tierfotografien in der Werbung seit 1991 leider unter die einbalsamierten Tiere zu rechnen. Das EMI-Logo zeigte ein temporär herrenloses Hündchen mit aufgestellten Ohren andächtig in den Trichter eines Grammophon-Apparats lauschen: „His Master's Voice“.

Warum entzücken die Lockvögel der Werbung mit so dauerhaftem Erfolg? Im Katalog wird behauptet, zum gelungenen Leben, das die Werbung als konkretes Utopieversprechen in Permanenz thematisiert, gehört das Tier. Kein Paradies, kein Kaiser ohne Tiere. Die demokratisierte, massenweit verbreitete Form der herrschaftlichen Menagerie ist der Werbe- Zoo vom Hustenhund bis zum Öko-Frosch. Sozialgeschichte in wenigen Worten: War der noch in Grimms Märchen ein verzauberter Prinz, eine Rolle, auf die der geschniegelte Erdal-Frosch bezug nimmt, und sah ihn Jean de La Fontaine als einen aufgeblasenen Wichtigtuer, was ja vielleicht auch nur ein anderes Wort für Prinz ist, so ist der frühere Frauenheld, grün und ohne Krone, heute zum ganz und gar lobenswerten Hausmann mutiert. Brigitte Werneburg

Heinz-Michael Bache/Michael Peters (Hrsg.): „Die tierischen Verführer. Auf Safari durch den Dschungel der Werbung“. Berlin 1992, 78 DM; Ausstellung des Deutschen Werbemuseums e.V. im Frankfurter Zoo, September 1992.

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