: Der Schrecken aus zweiter Hand
■ Heute auf Kampnagel: "Inmitten all dieser schönen Zeit" des Theaters Leutstetten
des Theaters Leutstetten
„Sieh nur, die Glücksmännchen haben den Tisch gedeckt“ - klebrig- süß tönt die Freude von Mann und Frau über das stille Glück daheim. Die Idylle, der es zu mißtrauen gilt, scheint auch im Titel des neuen, auf Kampnagel produzierten Stückes des Theaters Leutstetten durch: Inmitten all dieser schönen Zeit erlebt heute seine Uraufführung am Herstellungsort in Winterhude.
Seine Neigung zum Absurden hat Regisseur Thomas Matschoß schon in den beiden ersten Leutstetten-Produktionen bewiesen, diesmal aber wagte er sich mit der Schauspielerin Ingrit Dohse und dem Schauspieler Harald Maack auf unbekanntes Terrain, denn sie entwickelten Inmitten all dieser schönen Zeit ohne Textvorlage aus gemeinsamen Improvisationen. Ausgangspunkt für das Trio war ein Begriff, der den Regisseur Matschoß noch zwei Tage vor der Premiere ins Stottern bringen kann: Authentizität, oder besser gesagt, der Verlust derselben in Zeiten des Diktats vorgefertigter Lebensvorstellungen, in Zeiten einer Informationsflut, die die ganze Welt zwar ins Wohnzimmer bringt, aber außer Aufklärung hauptsächlich Verwirrung und Angst stiftet. Seit es Fernsehen gibt, gibt es Bilder vom Krieg, von Schlachtfeldern, von Ausgebombten oder von hungernden Kindern zum Abend- oder Mittagessen. Gleichzeitig verlieren ganz individuelle Lebensäußerungen an „Echtheit“, beobachtete Matschoß. Ingrit Dohse und Harald Maack bringen als zunächst glückliches Paar auch diesen Verlust auf die Bühne. Nach Luft schnappend beschwören sie ihr Glücklichsein: „Unser Glück ist schön“. Doch die Idylle ist brüchig. Mann und Frau werden getrennt und finden nicht wieder zueinander. Die Widersprüchlichkeit haben die drei nicht nur thematisch, sondern auch mit theatralischen Mitteln umgesetzt. Ein Vexierspiel von Bildern und Bedeutungen, von Wirklichkeit und Theater im Theater und absurder Komik entspinnt sich: „Wahnsinnige Betroffenheit“ kann man getrost zu Hause lassen. jk
K 4, 7., 8., 9., 10., 11.10., 20.30 Uhr
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