: Musikunterricht spielt nicht die erste Geige
■ An Hauptschulen herrscht ein chronischer Mangel an Musiklehrern Humboldt-Universität wird keine MusiklehrerInnen mehr ausbilden/ Markt ist leer
Mitte/Neukölln/Marzahn. In den Berliner Hauptschulen herrscht ein chronischer Mangel an MusiklehrerInnen, ständige Ausfälle im Fach Musik verzeichnen die Grund- und Hauptschulen. Dies äußerten gegenüber der taz übereinstimmend VertreterInnen von Lehrer- und Elternvereinigungen und Schulen. Sie wandten sich gegen das vom Senat beschlossene Ende der Musik- und Kunstlehrerausbildung an der Berliner Humboldt-Universität.
Der Vorsitzende des Landeslehrerausschusses, Dieter Schwenke, berichtete, an allen Schulen, die er kenne, gebe es zu wenige Musiklehrer. Dies führe dazu, daß Musik regelmäßig nur »als Anhängsel des Stundenplans« gesehen werde. Besonders kraß sei die Situation bei den Hauptschulen, ergänzte die Vorsitzende des Landeselternausschusses, Barbara Arndt. Vor allem in den sozial schwierigen Berliner Bezirken wie Kreuzberg oder Neukölln sei es schwierig, Musiklehrer zu bekommen. Auch im Osten Berlins zählt Musik zu den Mangelfächern. »Wir kommen gerade so hin mit den Musiklehrern«, berichtete der Leitende Schulrat, Klaus Werner, über die Situation in Marzahn.
Obwohl im bevölkerungsreichsten Berliner Bezirk Neukölln (323.000 Einwohner) in den letzten Jahren schwerpunktmäßig Musiklehrer eingestellt worden sind, besteht dort ständig Bedarf. Der Neuköllner Volksbildungsstadtrat Wolfgang Schimmang (SPD) sagte zur taz, er könne keine MusiklehrerInnen einstellen, weil »der Markt leer ist«. Das Geld wäre dafür vorhanden. Im August dieses Jahres hatte der Berliner Senat beschlossen, die Fächer Bildende Kunst und Musik nach dem Wintersemester an der Humboldt-Universität zu beenden. Dagegen gab es breite Kritik, da außer der Humboldt-Universität nur die Hochschule der Künste (HdK) MusiklehrerInnen ausbildet. Der HdK- Präsident Olaf Schwencke wies darauf hin, daß an seiner Hochschule die Ausbildung stark an künstlerischen Gesichtspunkten orientiert wäre. Die Beendigung der praxisorientierten Lehre an der HUB verkenne eine besonders beklagte Mangelsituation beim Musikunterricht. Noch vor zwei Wochen hatte die Senatsverwaltung für Schule den nun allerseits genannten Bedarf an Musiklehrern der taz nicht bestätigen wollen. Der Wissenschaftsausschuß hat unterdessen den Fall der Musik- und Kunstlehrerausbildung an der Humboldt-Universität trotz der gefällten Senatsentscheidung aufgegriffen.
Barbara Arndt vom Landeselternausschuß wies darauf hin, daß der Musikunterricht genau in jenen Lehrstätten ausfalle, wo er ein pädagogisches Mittel sein könne: in den »Brennpunktschulen« wie etwa in Kreuzberg. »Musikunterricht ist dort besonders wichtig«, weil man die SchülerInnen über musische Erziehung noch ansprechen könne, vor allem wenn der Unterricht auch für moderne Musik offen gestaltet werde. Christian Füller
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