Vergessene Versprechen-betr.: "IWF-Rezepte sollen Wachstum sichern", taz vom 26.9.92

betr.: „IWF-Rezepte sollen Wachstum sichern“,

taz vom 26.9.92

Vor fast genau zwei Jahren fand am 29. September 1990 der Kinderweltgipfel in New York statt, an dem 71 Staatsoberhäupter ihr feierliches Versprechen gaben, die schlechte Lage der Kinder in der Welt bekanntzumachen und versprachen, für Lösungen zu sorgen. Nun-zwei Jahre danach, scheint man diese Versprechen vergessen zu haben und findet sich mit dem sinnlosen Tod von täglich 40.000 Kindern ab. Ebenso erschreckend ist es, daß man den nationalen Belangen wie Rezession und Währungsturbulenzen Vorrang gibt und mangelhafte politische Weitsicht auf Kosten der ärmsten Länder der Welt austrägt. Der Rückgang der Entwicklungshilfegelder in Deutschland von 0,41 Prozent (91) auf 0,32 Prozent (92) des Bruttosozialprodukts hat vor allem Auswirkungen auf die Basisgesundheitsfürsorge, das heißt auf für uns so selbstverständliche Dinge wie sauberes Wasser, Impfungen, Antibiotika und sanitäre Einrichtungen, die ein menschenwürdiges Leben ermöglichen.

Bis heute steht eine präzise, praktikable Definition des Begriffes „Basisgesundheitsfürsorge“ aus. Das deutsche Aktionsprogramm der Bundesregierung enthält weder konkrete Angaben zur Durchführung noch zur Finanzierung. Ebenso wurden Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut an entscheidenden Stellen nur vage formuliert. Wie lange will die Bundesregierung sich noch vor einer intensiven Auseinandersetzung dieser für uns alle lebenswichtigen Thematik drücken? Es wäre spätestens jetzt Zeit, konkrete Zielsetzungen und Programme vorzulegen, um die Völkerwanderung rund um den Planeten zum Stillstand zu bringen. Die Bundesrepublik Deutschland hat als eine der stärksten Wirtschaftsmächte die Aufgabe, Wegbereiter für eine internationale Verständigung, gemeinsam erarbeitete Programme und weltweite Durchführung zu sein, damit jeder Mensch dieser Erde die Chance hat, ein gesundes und produktives Leben zu führen. Gabriele Bagschik, Rheinfelden