: Immer mehr Handwerker fliehen die Stadt
■ Gewerbetreibende beklagen: Mieten und Grundstücke explodieren, Kleinbetriebe werden zu wenig berücksichtigt
, Kleinbetriebe werden zu wenig berücksichtigt
Immer mehr Handwerksbetriebe verlassen Hamburg: Während in den 70erJahren rund 45 Firmen jährlich an einen neuen Standort außerhalb der Hansestadt zogen, waren es nach Angaben der Handwerkskammer im vergangenen Jahr schon über 70. Seit 1980 sind rund 800 Unternehmen abgewandert. Ein Hauptgrund für die Stadtflucht: explodierende Gewerbemieten und vor allem Grundstückspreise. „Für Handwerker sind 300 Mark pro Quadratmeter schlicht zu teuer“, beklagte Richard Rauber, Handwerkssprecher des Bezirks Altona, gestern in einer Gesprächsrunde über Handwerk und Stadtentwicklung während des letzten Tages der 1. Nordeuropäischen Handwerksmesse.
Zudem werden Gewerbeflächen in Hamburg immer knapper. Es gebe überall große Probleme bei der Grundstücksbeschaffung, erläuterte der Ingenieur Werner Kahl, Bezirkshandwerkssprecher in Hamburg Nord. Wo immer sich ein Gewerbebetrieb ansiedeln wolle, würden die Anwohner gegen Lärm und Gestank protestieren. Zudem hätte inzwischen überall der Wohnungsbau Vorrang. So habe zum Beispiel die Stadt ein bislang militärisch genutztes Gelände am Maienweg, das für Gewerbe ideal wäre, zwecks Errichtung von Wohnungen verkauft — obwohl es direkt unter der Einflugschneise liegt.
Im Konkurrenzkampf um die knappen Gewerbeflächen hätten es Handwerker schwer. Kleinbetriebe würden bei der Grundstücksvergabe nicht ausreichend berücksichtigt, kritisiert Kahl — gerade in innerstädtischen Quartieren ein großes Problem: So sind in St. Georg im Zuge der Sanierung des Stadtteils zwischen 1979 bis 1989 über 40 Prozent der Gewerbebetriebe abgewandert, berichtete Stadtplaner Andreas Pfadt von der Technischen Universität Harburg.
Die Folgen einer solchen Entwicklung: „Immer längere Wege und immer mehr Verkehr“, so Pfadt. „Die Anfahrtszeiten bezahlt der Kunde“, ergänzte der Altonaer Schlosser Richard Rauber, zudem müßte er lange Wartezeiten in Kauf nehmen, denn: „Der Handwerker, der sich morgens um halb acht vom Stadtrand auf den Weg macht, steht erstmal im Stau“.
Damit nicht irgendwann der letzte Handwerker Hamburg verlasse, müßten in der Stadt speziell für die kleinen und mittleren Betriebe des immerhin zweitgrößten Wirtschaftszweiges der Hansestadt wohnungsnahe Gewerbeflächen ausgewiesen und die Planungsverfahren beschleunigt werden, forderte Klaus Fischer von der Handwerkskammer. „Ehe in Hamburg ein Bauantrag durch ist, kann man
in Norderstedt Richtfest feiern“.
Und Andreas Pfadt brachte Gewerbehöfe in die Diskussion: Für
die von immer mehr Planern propagierte Durchmischung von Arbeit und Wohnen könnte das Stadthaus des 19. Jahrhunderts Vorbild sein mit Handwerksbetrieben und Läden im Erdgeschoß, Büros im ersten
Stock und Wohnungen darüber. Handwerkssprecher Kahl wies dar-
auf hin, daß gewerbliches Arbeiten nicht nur auf ebener Erde, sondern auch in oberen Etagen möglich sei. Da sei vom Handwerk wie von den Anwohnern Flexibilität gefordert.
Denn die beklagten sich zwar oft über Gerüche und Geräusche, den
kurzen Weg zum Bäcker, Fleischer,
Klempner oder Elektriker möchte die überwiegende Mehrzahl aller Kunden aber nicht missen, und die meisten haben sich schon oft über die hohen Fahrtkosten auf den Handwerkerrechnungen geärgert. Das ergab gestern eine Umfrage auf der Handwerksmesse. Vera Stadie
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