Vom Klanggarten zur Milchkette

■ Hamburger Tonstudios bieten eine große Angebotspalette / Für jeden Geldbeutel und jeden Qualitätsstandard gibt es das passende Studio

bieten eine große Angebotspalette / Für jeden Geldbeutel und jeden Qualitätsstandard gibt es das passende Studio

„Mittlerweile kann doch jeder Depp 'ne Platte aufnehmen — mit den ganzen technischen Möglichkeiten“, behauptet so mancher freche Zeitgenosse. Daß dieses Vorurteil schlichtweg unzutreffend und nur aus Unwissenheit geboren ist, bewies ein kleiner Streifzug durch Hamburger Tonstudios. Kreativität und Eigenständigkeit stehen dort fast immer noch an erster Stelle.

„Es kommt darauf an, die Bands dazu zu bringen, gut zu spielen — das Beste aus sich herauszuholen“, sagt Vijay Sapre vom Soundgarden-Studio, das vom Hamburger Untergrund — zum Beispiel dem Label L'Age D'Or — bevorzugt wird. 16 beziehungsweise 24 Tonspuren stehen den Bands und Musikern zur Verfügung, die den Weg ins Souterrain der Neuen Gröningerstraße 10 gefunden haben. 600 (für 16 Spuren) beziehungsweise 750 Mark (für 24) kostet dann ein Acht-Stunden- Tag im „Klanggarten“. „Damit arbeiten wir eigentlich unter Preis“, hebt Sapre hervor. „Doch das ist eine bewußte Entscheidung. Wir wollen mit bestimmten Leuten zusammenarbeiten. Auf Schlager oder sowas haben wir keine Lust.“

Die große Stärke des insgesamt 100 Quadratmeter großen Alternativ-Komplexes (Aufnahmeraum 50 qm) liegen bei der Aufnahme akustischer Instrumente. Computer, seit einigen Jahren ein dominierendes Element in der Musikbranche, spielen nur eine untergeordnete Rolle.

Eine ähnliche Situation besteht auch im Milchketten-Demostudio. Auch in den Räumen im sechsten Stock eines Altbaus im Schanzenviertel (Susannenstraße 21 a) geht die Liebe zur Musik weit über kommerzielle Interessen. Das Konzept von Milchketten-Musik ist eine Kombination aus Übungsräumen und Studio-Funktionen. Im achtspurigen Reich der begrenzten Aufnahmemöglichkeiten, die durch den Einsatz von Musikcomputern allerdings erheblich erweitert werden, können die Bands, die dort üben, das Studio ständig benutzen. Das Wochenende steht externen Interessenten für Aufnahmen zur Verfügung.

Der eigentliche Schwerpunkt des Demostudios liegt in der Betreuung der Musiker. Intensive Gespräche gehen den Aufnahmen voraus. Später sind bei der Produktion ein bis zwei aufnahmeerfahrene Studio- Eigner ständig dabei. Studiomusiker gibt es teilweise noch gratis. „Rocker“ haben hier keinen Zutritt, ein wenig Experimentierfreude wird schon erwartet.

Ganz anders ist das im ChÛteau du Pape (Bogenstraße 52), das schon von Teenie-Größen wie Depêche Mode und Erasure beehrt wurde. „Hier kommt jeder rein“, berichtet uns Michael Tibes, der mit Tonmeistereien zu tun hat, „außer wir fürchten, eine Band könnte unsere Geräte zertrümmern.“ Theoretisch stimmt das zwar, leisten können werden sich die Aufnahmen in diesem Studio mit „auf alle Fälle Weltniveau“ nur die wenigsten. Ein digitaler Tag kostet 2800 Mark, ein analoger 2300 Mark. Dafür stehen aber auch bis zu 48 Tonspuren und ansonsten nur das Beste vom Teuersten zur Verfügung, CD-Mastering inklusive. Ein großer Unterschied zu den kleinen Studios besteht darin, daß es zu den Musikern kaum Kontakt gibt. Diese bringen ihre Techniker und Produzenten gleich mit und vergraben sich in einem der drei Aufnahmeräume der Tonfabrik.

Wieder mehr von der Indie- Szene wird das White Noise Studio (24 Spuren) in der Amsinckstraße gegenüber dem Hauptbahnhof frequentiert (Goldene Zitronen, Rocko Schamoni). Auch das Hamburger Dance-Label Soulciety produziert dort. Neben Musik werden auch Rundfunkspots aufgenommen, doch die dienen mehr der Schaffung eines Finanzpolsters. Ein Tag kostet 1000 Mark, für Musiker gelten besondere Tarife.

Das Blue Noise (Schnackenburgallee 215) ist auf keine spezielle Richtung abonniert, es werden dort sogar Hörspiele produziert. Besonderheiten: Es gibt ein sehr großes 24-Spuren-Studio, das 70 Quadratmeter mißt. Ansonsten werden Beschallungen aller Art bewerkstelligt. Was soviel heißt, daß neben Studio-Aufnahmen auch das Equipment für Live-Auftritte zur Verfügung steht und Konzert-Mitschnitte möglich sind. Das Studio existiert seit zwölf Jahren, die Macher verfügen also über einen reichen Erfahrungsschatz.

Die Altona-Rehearsal-Studios (Leverkusenstraße 25) schließlich bieten unter anderem ein umfassendes Demo-Konzept. Vor den Aufnahmen können Bands zum Minimaltarif unter Anleitung der Studio-Crew proben. Die Aufnahmen, die auf 16 Spuren gebannt werden, können wiederum für Proben unterbrochen werden — ohne daß die Studio-Uhr mitläuft. Die Preise liegen bei 430 Mark pro Tag. gag