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CDU mutiert zur Berliner Autopartei

■ Senator Hassemer: Zur Not Pariser Platz durchlöchern, Straßenverbindungen verdoppeln/ Protest von der SPD

Berlin. Die CDU startet in der Verkehrspolitik ein „Rollback“. Entgegen aller anderslautender Beteuerungen sollen im Zentrum die Straßen für den Autoverkehr ausgebaut werden. Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer (CDU) sagte gestern gegenüber der taz, daß er die Zahl der Verbindungsstraßen zwischen den Bezirken Tiergarten und Mitte verdoppeln wolle. Heute werde der Ost- West-Verkehr hauptsächlich über die Clara-Zetkin-Straße und den Potsdamer Platz bewältigt. Zukünftig müßten zusätzlich auch die Reinhardstraße, die Kronprinzenbrücke (Neubau), das Brandenburger Tor, die Behren- und Voßstraße als Verbindungen in Anspruch genommen werden – das „Juwel der Ministergärten“ solle nicht angetastet werden.

Der Senator will zur Not sogar den Plan der historischen Wiederherstellung des Potsdamer Platzes kippen. Falls für den Autoverkehr eine Durchfahrung des Brandenburger Tores nicht genüge, müßten in den geplanten dreistöckigen Bauwerken, die unmittelbar an die beiden Seiten des Tores anschließen, Torbögen eingebaut werden.

Volker Liepelt, umweltpolitischer Sprecher der CDU, berichtete, daß seine Fraktion, abgesehen von der Verbreiterung der Leipziger Straße, in einer Sondersitzung diese Woche keine Beschlüsse gefaßt habe. Ziel der genannten Maßnahmen sei es, den „vorhandenen“ Verkehr möglich zu machen – die erwarteten Zuwächse sollen allein mit Hilfe des öffentlichen Nahverkehrs bewältigt werden. Rainer Giesel, verkehrspolitischer Sprecher der CDU, betonte, daß seine Fraktion immer auf vier Autospuren in der Leipziger Straße bestanden habe, die verkehrspolitischen Vereinbarungen mit der SPD seien nicht in Frage gestellt. Der umweltpolitische Sprecher der SPD, Wolfgang Behrendt, bezeichnete die von der CDU neu formulierten Ziele in der Verkehrspolitik dagegen als „Bruch der Koalitionsvereinbarung“.

Die CDU und SPD hatten sich darauf geeinigt, daß innerhalb des geplanten Innenstadtrings ein Fünftel des Verkehrs mit dem Auto und vier Fünftel mit Bus und Bahn bewältigt werden soll. Dafür hatten die Sozialdemokraten nach langen Verhandlungen der Vervollständigung des Innenstadtrings zugestimmt, für den unter anderem der Autotunnel unter dem Tiergarten gebaut werden soll. Behrendt hält eine Minderung des Verkehrs für dringend geboten, weil die Luft im Zentrum stark verschmutzt sei. Michael Cramer (Bündnis 90/ Grüne) schätzt, daß für die Entschädigung der Grundstückseigentümer in der Leipziger Straße und am Brandenburger Tor Millionenbeträge gezahlt werden müßten. Dirk Wildt

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