: Druck auf Kroatiens kritische Medien
■ Kroatische Intellektuelle warnen vor Gleichschaltungstendenzen/ „Slobodna dalmatija“ in Gefahr, Wochenzeitung „Danas“ mußte aufgeben
In einem Appell haben kroatische Intellektuelle auf die Situation der Presse in den Staaten des ehemaligen Jugoslawien hingewiesen. Ein großer Teil der Presse habe ihren Teil an der Entwicklung des Krieges beigetragen. Um so mehr bedauern die Verfasser, daß der Druck auf die unabhängigen Presseorgane in den letzten Monaten zugenommen hat, auch in Kroatien. So wird in diesen Tagen die professionellste Tageszeitung der Republik, die Slobodna dalmatija aus Split, als „projugoslawisch“ kritisiert, obwohl gerade diese Zeitung über sehr gute Berichterstattung über den Krieg in Bosnien-Herzegowina verfügt.
Schon Anfang September mußte die Wochenzeitung (Novi) Danas aufgeben. Sie ist zwar im Gegensatz zu anderslautenden Berichten nicht verboten worden. Ihr Verschwinden aber ist vor dem Hintergrund eines unbestrittenen politischen Drucks auf die Pressefreiheit und des sich ausbreitenden Zwangs zu einer primitiven mentalen Gleichschaltung zu betrachten.
Die Danas beziehungsweise Novi Danas war nicht die einzige kritische Wochenzeitung in Kroatien. Wodurch sie herausragte – und zwar im gesamten ex-jugoslawischen Raum – war vielmehr ihre Qualität. Von der graphischen Gestaltung unter der Leitung erstklassiger Designer wie Mirko Ilic – dem jetzigen art director der New York Times – über seriöse journalistische Recherchen und Enthüllungen bis zu den relevantesten Interviews für das politische Leben des Landes – Qualität war das Markenzeichen der Zeitung. Die politische Ausrichtung der Redaktion steht zwar auf einem anderen Blatt. Sie wurde nicht nur von der regierenden Partei manchmal als unangemessen empfunden, auch von unabhängigen Kritikern.
Nicht wegen dieser ohnehin nicht einheitlichen politischen Einstellung haben sich Tudjmans Hintermänner auf die auflagenschwache Zeitung gestürzt. Sie wollten den guten Ruf der Zeitung, aber keine unangenehmen Enthüllungen. Das klingt für denjenigen paradox, der den Grundcharakter von Tudjmans Partei nicht kennt. Die HDZ (Kroatische Demokratische Gemeinschaft) ist ein Konglomerat verschiedenster national gesinnter Kräfte, die weder durch Ideologie noch durch das politische Programm zusammengehalten werden, sondern ausschließlich durch eine erstaunlich homogene Mentalität. Zu dieser gehört auch die Bestrebung, alles Kroatische, was Rang und Namen, Qualität und Professionalität hat, um sich zu sammeln und gleichzeitig zu erwarten, daß man gleicher Meinung sein wird. Ein typischer Protagonist dieser patriarchalisch-primitiven Mentalität ist der ehemalige Schauspieler und jetzige Multifunktionär Antun Vrdoljak, der allen Untergebenen – von internationalen Sportstars bis zu TV-Redakteuren – sein Maß des Kroatentums einpeitschen will. Daß Qualität und Gleichschaltung sich ausschließen, begreifen diese Leute nicht. Deshalb hat man in Kroatien das arschkriecherischste, langweiligste und primitivste Fernsehprogramm Mitteleuropas.
Manche Tageszeitungen und Chefredakteure waren gleich von selbst auf der Linie. Die Staatsausschüsse für Privatisierung funktionieren in den Medien in der Art der Gleichschaltungskommandos. Durch faule Tricks hat man vor kurzem in Rijeka die regionale Tageszeitung Novi list unter Zwangsverwaltung gestellt, was hoffentlich bald durch Gerichtsentscheid rückgängig gemacht wird. Hier ist die alleinregierende Partei offensichtlich bestrebt, die Stadt und die Region (Istrien), in denen sie bei den Wahlen im Sommer am schlechtesten abgeschnitten hatte, per Journaille umzuerziehen.
Mit der „Zwangsverwaltung“ fing auch die Affaire Danas an. Zu dem Zeitpunkt war die Auflage der Wochenzeitung stark gesunken. Auf dem Markt etablierten sich die privaten auflagenstarken sensationalistischen Blätter Globus und Slobodni Tjednik, die der Obrigkeit ebenfalls ein Dorn im Auge sind. In den Umbruchzeiten hatte die Danas-Redaktion politisch die Orientierung, aber auch ihre Star-Kolumnistin Tanja Torbarina verloren, die heute für die Auflagenstärke des Globus sorgt. Denn auch heute nimmt die scharfzüngige Kolumnistin alles und jeden aufs Korn: zum Beispiel den Präsidenten Tudjman und mit großer Vorliebe den erwähnten Fernsehdirektor Vrdoljak.
Durch den Schock des Auflagenverlustes geriet Danas finanziell in Abhängigkeit vom Staat und damit von der Regierungspartei. Und die wollte keine qualitätsvolle und seriöse Zeitung tolerieren. „Keine Regierung auf der Welt würde diejenigen, die sie nach Strich und Faden kritisieren, noch dafür bezahlen!“ Nach dem Konkurs fand die Redaktion in dem jungen Papierfabrikanten Tedeschi den Finanzier für Novi Danas. Aber die Gleichschaltungshaie ließen nicht locker.
Es ist unklar, warum er die Staatsanwaltschaft nicht eingeschaltet hat, nachdem der monopolistische Vertreiber „Vjesnik“ einseitig und gesetzwidrig den Vertrag mit Novi Danas gebrochen hat. Klar war hingegen, daß die Zeitung ohne den Vertrieb an den Zeitungskiosken nicht überleben konnte. Der Epilog der machtpolitischen Farce: Arbeitslos gewordene Profi-Journalisten versucht man in die HDZ-eigene profillose Dilettanten-Zeitung Glasnik zu locken. Dunja Melcic
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