„Der Kampf hat ihre Kräfte aufgezehrt“

Petra Kelly wurde gestern unter großer Anteilnahme in Würzburg beigesetzt/ Ihr Freund Lew Kopelew am Grab: „Ich glaube nicht an Selbstmord“  ■ Aus Würzburg Klaus-Peter Klingelschmitt

„Ein Leben, das in der ganzen Welt stattfand“: So charakterisierte der Pfarrer Petra Kelly, die gestern auf dem Waldfriedhof in Würzburg ihre letzte Ruhestätte fand. Und hunderte von Trauergästen waren gekommen, um der unter noch immer ungeklärten Umständen zu Tode gekommenen „politischen Kämpferin“ (Lew Kopelew) noch einmal Freundschaft und Zuwendung zu erweisen: Christa Nickels und Joschka Fischer, Antje Vollmer und Freimut Duve, Franz Alt und Hubert Kleinert — und Weggefährten und Freunde aus aller Welt.

Viele der Trauernden weinten, als ein Streichertrio in der Friedhofskapelle Petra Kellys Lieblingslied „Amacing Grace“ spielte und der Pfarrer die Worte sprach: „Sie wird bei Gott sein — schon in dieser Stunde.“

Er hätte ihr gefallen, der Waldfriedhof auf einem Hügel am Rande der Stadt. Das Herbstlaub rauschte im naßkalten Wind, als Pfarrer Zink von der „Jeanne de Arc unserer Tage“ sprach, die mit Mut und Sendungsbewußtsein gegen das Unrecht in der Welt und für die Hoffnug gekämpft habe. Und er sprach davon, wie dieser Kampf ihre Kräfte aufgezehrt habe: „Soviel Hähme, soviel politische Arroganz und sowenig Freundschaft selbst in der Partei, zu deren Gründungsmitgliedern sie gehörte.“ Und dennoch sei Petra Kelly zur „Hoffnungsträgerin für eine ganze Generation“ geworden. Petra Kelly ist gestorben — „und nach der Abschaffung der Utopien regiert in Deutschland der geistige Tod.“

Lew Kopelew, dem Petra Kelly mehr als zehn Jahre lang freundschaftlich verbunden war, scheute sich nicht, seine Zweifel am Selbstmord von Petra Kelly und Gerd Bastian auf der Trauerfeier — und vor der Familie Kelly — öffentlich zu äußern: „Ich glaube nicht an Selbstmord.“

Noch Ende August sei er nach einem Rußlandaufenthalt mit Petra Kelly und Gerd Bastian zusammengetroffen. Und beide hättem ihm, dem Verzagten, Mut zugesprochen und von der Zukunft gesprochen. Von dem, was sie im Europaparlament alles durchsetzen wolle, habe sie ihm erzählt, denn: „Gerd und Petra waren Kämpfer — politische Kämpfer.“ Petra Kelly und Gerd Bastian, und da ist sich Kopelew sicher, wären nicht freiwillig aus der Welt gegangen, ohne ihren Freunden eine Erklärung, einen Abschiedsbrief zu hinterlassen.

Das politische Vermächtnis von Petra Kelly an die Hinterbliebenen? Für Kopelew ist das die Fortsetzung ihres Kampfes gegen das Unrecht in der Welt, gegen Umweltzerstörung und Rassismus — „für die gesamte Menschheit auf diesem schwer bedrohten Planeten“. Und dafür, so Kopelew, habe uns allen Petra Kelly ein langes Leben gewünscht.

Nach bewegenden Worten auch von Freimut Duve und einem Angehörigen wurden die sterblichen Überreste von Petra Kelly dann auf dem Friedhof beigesetzt, auf dem schon ihre an Krebs verstorbene kleine Schwester ihre letzte Ruhestätte fand: Unter hohen Bäumen mit bunten Blättern, fernab vom Getöse der Welt.