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Es menschelt sehr

■ Curt Lindas „Das kleine Gespenst“ läuft nicht Gefahr, ein anarchistisches zu sein, trotz der Farbe Schwarz

Es war einmal ein Gespenst, das bekam einigen Streß: Über Nacht hatte es sich in ein Tagesgespenst verwandelt. Und diesem mißlichen Umstand war es zuzuschreiben, daß plötzlich und unerwartet seine weiße Gespensterfarbe verschwunden war. Ganz schwarz schaute es nun drein. Was dem entgeisterten Schloßgespenst im Städtchen Eulenberg, gelegen zwischen Bayern und anderswo, danach so alles widerfuhr, davon erzählt Curt Lindas Ottfried-Preußler-Zeichentrickverfilmung „Das kleine Gespenst“.

Um es vorweg zu sagen: Die Sache mit der Farbe bekommt natürlich wieder die richtige Couleur, dank des weisen Rats von Herrn Uhu Schuhu. Und an den ganzen Turbulenzen und Verwirrungen sind die Bürger Eulenbergs schließlich auch selbst schuld. Ein schwarzes Gespenst – ist ja auch zu blöd, wer hat denn so etwas schon gesehen?! Nur die drei Kinder vom Apothekenbesitzer helfen der gestreßten Spukgestalt wieder, es selbst zu werden, denn „ein Freund hilft immer, sonst ist er ja kein Freund“.

Diese Art schwergewichtiger Sentenzen gibt es leider in Curt Lindas 80-minütigem Zeichentrickfilm häufiger. Als er 1969 Erich Kästners „Konferenz der Tiere“ kongenial adaptierte, wurde ihm noch unterstellt, er untergrabe den Wehrwillen der Jugend... 1992 menschelt es dagegen sehr. Die Mischung aus Heile- Welt-Realität („Donner ist eine natürliche Störung im Gegensatz zur Stereoanlage“) und Bilderbuch-Schauerromantik wirkt schal. Da liegt auch das Gespenst begraben: Die Unentschiedenheit, ob nun Märchen oder Phantasia mit partiellem Realismus (die Kambiz Giahis betuliche Musikanimation noch verstärkt), lähmt die Lust am gespenstischen Tohuwabohu.

Das bleibt bedauerlich, wirbeln doch Lindas liebevoll schraffierte Wesen durch gelungene Slapstick- Sequenzen, die auch ohne raffinierte, skrupellose Brutalitäten auskommen. Selten dämlich spielen sich Polizisten, Bürgermeister und TV-Reporter auf; es ist ein Leichtes für das neugierige Gespenst und seine Mitstreiter, sie auszutricksen.

Überhaupt – „Das kleine Gespenst“ überzeugt dann, wenn die bemühte „Kindersprache“ der Figuren zugunsten des tollsten Chaos verstummt.

Ottfried Preussler, zu Zeiten der selbstverwalteten Kinderläden heftigst geschmäht, setzt in seinen Bestsellern („Die kleine Hexe“, „Der Räuber Hotzenplotz“) unbeirrt auf Erfolge im Menschlichen: „Es gibt eine Reihe von Themen, die meinen Leser absolut nicht interessieren: die Liebe zum Beispiel, das Geldverdienen, die Politik.“ Curt Linda hat Preusslers Gespenstertreiben ohne Wenn und Aber vom Blatt gespielt. Ob die Kids der Neunziger für die biedere Romantik etwas übrig haben, bleibt abzuwarten. Yvonne Rehhahn

„Das kleine Gespenst“. Buch und Regie: Curt Linda. Chefanimation: Susi Bauermann. Ab 29.Oktober läuft der Film im Adria, BroadwayA, International und im Passage2 in Berlin.

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