piwik no script img

Vorgestern morgen kurz vor sechs ...

■ Norddeutsche Pharmahersteller befürchten Ruin durch Positivliste der Gesundheitsreform / Druchfall wird sauteuer

der Gesundheitsreform / Durchfall wird sauteuer

Mittelständische Pharmaunternehmen in Hamburg befürchten, daß das Gesundheitsstrukturgesetz ihre Existenz gefährdet. Mit drastischen Einbußen und dem Verlust von 1000 Arbeitsplätzen in Norddeutschland rechnen die Pharma- Landesverbände, falls das Gesetz wie geplant in Kraft tritt.

„Gestern morgen um kurz vor sechs“ hätten die Bonner Gesundheitsreformer die gefürchtete „Positivliste“ beschlossen, verkündete der Vorsitzende des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie gestern in Hamburg, Hubertus von Loeper. Seine Befürchtung: Wenn diese Liste Gesetz würde, wären ein Viertel der heute verordneten Arzneimittel von der Erstattungspflicht durch die gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen. „Ausgegrenzt“ wären unter anderem viele Schlaf- und Beruhigungsmittel, Mittel gegen Durchfall und Hämorrhoiden, Augentropfen, Immunstimulanzien, durchblutungsfördernde Mittel, Mittel zur Behandlung von Venenleiden, Rheuma-, Prostata-, Nieren- und Blasenmittel. Die Medikamente, die nicht auf der Liste stehen, müssen Patienten in Zukunft aus eigener Tasche bezahlen.

Allein in Norddeutschland würden durch das geplante Gesundheitsstrukturgesetz 16 Prozent der Inlandumsätze wegfallen, etwa 620 Millionen Mark. Das ergab eine Eilumfrage der Landesverbände bei Pharmaunternehmen in Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Acht der befragten knapp 80 Unternehmen rechnen sogar mit Einbußen von 50 bis 80 Prozent, was einem Ruin gleichkäme.

Betroffen sind dadurch besonders Hersteller, deren ganzes Produktsortiment plötzlich nicht mehr erstattungsfähig ist. Dazu gehören viele Kleinbetriebe der überwiegend mittelständischen Pharmaindustrie in Norddeutschland. Sie sind zum Teil spezialisiert auf eine kleine Palette von Produkten, vor allem Erzeugnisse auf pflanzlicher Basis.

Besonders das Tempo der geplanten Regelung kritisiert Hans-Joachim Herms, der Vorsitzende des Pharma-Landesverbandes von Hamburg und Schleswig-Holstein. Eine Übergangszeit für den Ausschluß bestimmter Medikamente aus der Erstattungspflicht sei nicht vorgesehen, die mittelständischen Unternehmen hätten deshalb keine Möglichkeit, sich auf die veränderten Marktbedingungen vorzubereiten. Es erwarte die Betriebe ein enormer Kostenaufwand für Werbung, wenn sie statt der Ärzte künftig eine Zielgruppe von Millionen Verbrauchern erreichen wollen. Mittel und Erfahrung für solche Werbekampagnen würden den kleinen Pharmaunternehmen fehlen. Und den Patienten fehlt in Zukunft die Erstattung von vielen pflanzlichen Medikamenten. Vera Stadie

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen