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Kein kollektives Schuldbekenntnis der Kirche

■ Ost- und West-ProtestantInnen reden auf der EKD-Synode über Stasi und Kirche

Suhl (epd) – Stasi-Kontakte kirchlicher Mitarbeiter in der DDR seien nicht „der Normalfall“ gewesen. Das bekräftigte auf der in Suhl tagenden Synode der Evangelischen Kirche (EKD) der mecklenburgische Landesbischof Christoph Stier. „Die Stasi war kein Partner“, deshalb stellten Gespräche Einzelner mit der Staatssicherheit ohne Wissen der Kirchenleitungen einen Verstoß „gegen die Geschwisterlichkeit“ dar. Vertrauensbruch habe begangen, wer Interna und Personalangelegenheiten mit dem Geheimdienst besprochen habe. Und „bitter“ sei es, wenn sich inoffizielle Mitarbeiter der Stasi erst dann zu ihrer Tätigkeit bekannten, wenn sie überführt wurden.

Ein kollektives Schuldbekenntnis der Kirche wurde in der Debatte über „Kirche im geteilten Deutschland“, zu der sich nahezu 40 der 160 Synodalen zu Wort meldeten, einmütig abgelehnt. Auch der Präses der EKD-Synode, Jürgen Schmude, und die brandenburgische Sozialministerin Regine Hildebrandt (SPD) hatten sich gegen ein solches Bekenntnis ausgesprochen.

Beide wandten sich auch gegen eine Vorverurteilung des früheren Kirchenjuristen Manfred Stolpe. Es sei dringend nötig, sagte Regine Hildebrandt, gegen die „Übermacht der Stasi-Akten anzugehen“ und mit Zeitzeugen zu reden: „Wir müssen ins Details gehen!“ Der Vorsitzende des von der EKD eingesetzten Stasi-Vorermittlungsausschusses, der Jurist Eberhard Kuthning, bemängelte, daß zum Fall des früheren Kirchenjuristen und jetzigen Brandenburger Ministerpräsidenten Manfred Stolpe von der Gauck-Behörde bisher nur „bruchstückhaft“ Unterlagen geliefert worden seien. Daraus lasse sich nicht erkennen, welche Tatsachen zugrunde lägen.

Schmude sagte, er frage sich, ob „Verhandlungen um der Menschen willen schuldhaft“ seien. Der Präses wies zudem darauf hin, daß die Kirche über zahlreiche Gemeindekontakte die Verbindung zwischen Ost und West vor der Wende aufrecht erhalten habe.

Der Berliner Altbischof Albrecht Schönherr erklärte, er bekenne, „daß wir zu vertrauensselig waren und uns haben täuschen lassen“. Er sei aber nicht bereit, ein Schuldbekenntnis dafür abzulegen, „daß wir Kirche im Sozialismus waren“. Als dringend nötig bezeichnete es Schönherr, Synodalberichte und Erklärungen der Kirche in der DDR ebenso zu dokumentieren wie Schreiben der SED-Regierung.

Der Erfurter Probst Heino Falcke forderte dazu auf, nicht nur die Systemverflechtungen im Osten, sondern auch im Westen kritisch zu analysieren. Zur Sprache kommen sollten nicht nur Verbindungen zwischen Kirche und Staat, sonder auch „zwischen Kirche und Geld“. Zur Stasi-Debatte meinte Falcke, sie nötige der Kirche eine Selbstrechtfertigung ab, die sie gar nicht wolle.

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