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Flüchtlinge in Turnhallen

■ Bezirke haben Schwierigkeiten bei der Unterbringung jugoslawischer Flüchtlinge/ Bezirk Steglitz baut Turnhalle um

Berlin. Für die Bezirke wird es immer schwieriger, die Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien unterzubringen. Weil die Menschen, die aus den umkämpften Gebieten nach Berlin gekommen sind, keine Asylbewerber oder Aussiedler sind, werden sie von der Ausländerbehörde wie Obdachlose an die Bezirke verwiesen und müssen von diesen untergebracht werden. Derzeit bringen alle Bezirke zusammen etwa 8.000 Kriegsflüchtlinge in Heimen, Pensionen oder Privatwohnungen unter. Jetzt hat der Steglitzer Sozialstadtrat Johannes Rudolf (CDU) angekündigt, daß seine Kapazitäten ausgeschöpft seien und Flüchtlinge deshalb in der Turnhalle der Kopernikus-Schule am Ostpreußendamm untergebracht werden müssen. Mit dem Umbau werde nächste Woche begonnen.

Eine „Ideallösung“ sei das nicht, erklärte Dieter Gützkow, leitender Mitarbeiter des Steglitzer Sozialamtes. Der Bezirk habe sich aber nicht anders zu helfen gewußt, weil die Kapazitäten restlos ausgeschöpft seien. Momentan nutze man neben Pensionen auch das Jugendgästehaus in der Beethovenstraße. Dieses Haus will aber die Abteilung Jugend Ende des Monats wieder zurückhaben. In der mit Betten und Schränken aus dem Berliner Katastrophendienst provisorisch eingerichteten Schulhalle will man deshalb Neuankömmlinge und in etwa drei Wochen die aus dem Gästehaus ausquartierten Flüchtlinge unterbringen. Länger als drei Monate wolle man aber die Turnhalle nicht benutzen, und auch höchstens für hundert Personen.

Derzeit bemühe man sich „intensiv“ um einen alternativen Standort, auf dem „feste Häuser“ errichtet werden können. Zwar gäbe es für den Bezirk die Möglichkeit, leerstehende Wohnungen und Gewerberäume zu beschlagnahmen, die Erfahrung habe aber gezeigt, daß die Gerichte die Beschlagnahme für unrechtmäßig erklären, wenn nicht alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft seien. Am Unterbringungsdesaster sei im übrigen die Sozialverwaltung schuld. „Es ist unfair, die Bezirke mit der Unterbringung alleine zu lassen.“ Die Kriegsflüchtlinge seien ein Berliner Problem.

Ähnlich argumentiert der Schöneberger Sozialstadtrat Gerhard Lawrentz (CDU). Seine Behörde hat seit August Flüchtlinge in der Sporthalle des Friedrich-Liszt- Oberstufenzentrums untergebracht. Es seien vor allem Roma, die dort unter beengten Verhältnissen leben und sich untereinander sehr oft in den Haaren lägen. Sein Bezirk bemühe sich, die Eskalation durch Dezentralisierung der Roma-Flüchtlinge zu beheben. So habe man einen Antrag an den Bund gestellt, Container auf dem Parkplatz des Rias-Geländes aufstellen zu dürfen. Bis jetzt sei keine Antwort erfolgt. Generell müsse man das Berliner Flüchtlingsproblem aber als eine „zentrale“ Aufgabe betrachten. „Die Bezirke sind überfordert“, klagte er. Von der Sozialverwaltung wurde diese Kritik zurückgewiesen. Um die Bezirke zu entlasten, habe das Landessozialamt etwa 2.500 Flüchtlinge schon in Einrichtungen untergebracht, die eigentlich für Asylbewerber oder Aussiedler gedacht sind. Die Turnhallen-Notunterkünfte in Schöneberg und Steglitz seien „Armutszeugnisse“, hieß es aus der Behörde. So habe Steglitz mit 2,2 Prozent, etwa 200 Flüchtlingen, weniger Notleidende unterzubringen als andere Bezirke.

Die meisten Kriegsflüchtlinge, 990 Personen, hat der Bezirk Charlottenburg untergebracht. Die Unterbringung in Turnhallen hält der Sozialstadtrat Udo Maier (SPD) für „sehr unglücklich“. Dies würde die Diskussion um die Abschaffung des Asylparagraphen im Grundgesetz nur verschärfen. „Die Bürger sehen nur Ausländer in Turnhallen und sagen dann, das Boot sei voll.“ Mit Sicherheit werden in den nächsten Wochen noch mehr Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten kommen. Man müßte also nicht nur akut Unterbringungsmöglichkeiten suchen, sondern auch Vorsorge betreiben. Sein Bezirk werde bis Ende des Jahres weitere 150 Plätze schaffen. Das Beispiel „Massenunterkünfte in Turnhallen darf nicht Schule machen“. Bevor die Bezirke Sportstätten reklamieren, sollten sie leerstehende Mietshäuser beschlagnahmen. „Im Ostteil gibt es davon genügend“, sagte er. aku

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