Wer war George Bush?

■ Selten ist ein Präsident so tief gefallen; tolpatschig und ohne Charisma

Washington (taz) – Georg Bush geht in den Ruhestand. Es sei ein „verrücktes Jahr“ gewesen, hatte er immer wieder erklärt, und aus dieser Feststellung konnte man seine ganze Hilf- und Ratlosigkeit heraushören. Bush hat nie verstanden, warum er nach dem Aufstieg zum Sieger des Golfkriegs, nach dessen Ende ihm die ganze Nation zu Füßen lag, so tief fallen konnte. Damals, so schreibt der Kolumnist Russel Baker, „hätte Bush sogar gegen George Washington gewonnen“. Jetzt hat er gegen einen Demokraten verloren, den er wie Luft behandelt hatte.

Dabei hat Bush, wie versprochen, alles unternommen, um wiedergewählt zu werden. Er versuchte, Bill Clinton als Demokraten alter Schule abzustempeln, der Steuern erhöht und den Staatsapparat aufbläht. Er ist mit der Staatskasse auf Wahlkampf gegangen und hat innerhalb einer Woche neun Milliarden Dollar für Rüstungsaufträge in Bundesstaaten spendiert, deren Wähler laut Meinungsumfragen nach Bill Clinton schielten. Seine Wahlkampfhelfer haben im Privatleben und in der Vergangenheit des Gegners herumgewühlt. Als Bush trotzdem keinen Boden in den Meinungsumfragen gutmachen konnte, war er sich nicht zu schade, seinen Konkurrenten mit dem KGB in Verbindung zu bringen. Zwischendurch präsentierte der Präsident auch politisch Inhaltliches, doch seine wirtschaftspolitischen Vorstellungen, sein Programm zur Gesundheits- und Schulreform verschwanden immer wieder hinter den Nebelgranaten gegen Clintons Glaubwürdigkeit und politische Laufbahn als Gouverneur.

Immer wieder hat Bush auf seine außenpolitischen „Verdienste“ gepocht. Dabei ist sein Resümee mit wenigen Ausnahmen ärmlich: der Golfkrieg steht in der US-Presse inzwischen unter dem Vorzeichen des „Iraqgate-Skandals“; den Begriff der „Neuen Weltordnung“ haben Bushs Redenschreiber längst aus dem Vokabular gestrichen; in der Politik gegenüber der ehemaligen Sowjetunion bedurfte es der lautstarken Kritik des ehemaligen Präsidenten Nixon, um Bush zu aktiver Hilfe für Moskau zu bewegen; Washingtons Politik im Fall Bosnien ist geprägt von Ratlosigkeit und Konfusion; der Erfolg der US-Diplomatie bei den Nahost-Friedensgesprächen hat nicht zuletzt dadurch gelitten, das Bush seinen Außenminister Baker abzog und zum Wahlkampfmanager ernannte. All das hat Bush weder geschadet noch genützt.

Außenpolitik war kein Thema in diesem Wahlkampf. Dieses Präsidentschaftsrennen war vor allem durch die Wirtschaftskrise und den innenpolitischen Hinterlassenschaften von zwölf Jahren Reagan- Bush-Administration bestimmt: Rekorddefizite, Verwahrlosung der Infrastruktur, Niedergang der Städte, steigende Arbeitslosigkeit. Was Bush nicht begreifen konnte oder wollte: die Krise — oder die Angst vor der Krise — hatte längst die weiße Mittelschicht erreicht, ohne die man in den USA keine Wahlen gewinnen kann. Es war der größte strategische Fehler des Bush/Baker-Teams, diesen Umstand zu ignorieren und statt dessen dem rechten Flügel auf dem Parteitag den Vortritt zu lassen. Der funktionierte die Versammlung in einen Kreuzzug für die amerikanische Familie, gegen Abtreibung, Feminismus und Rechte für Schwule und Lesben um.

Innenpolitisch hinterläßt Bush nicht nur ein ökonomisches Krisengebiet und einen Rechtsruck in der Minderheiten- und Frauenpolitik, sondern auch eine desolate Partei. Das Ende des Kalten Krieges hat den Republikanern den Teppich unter den Füßen weggezogen. Seitdem befinden sich die Fraktionen in der offenen Auseinandersetzung: christliche Fundamentalisten, Wirtschaftsliberale, BefürworterInnen des Abtreibungsrechtes, Isolationisten und Verfechter von Freihandelszonen. George Bush war nie in der Lage, das Chaos zu ordnen. Dazu fehlte ihm nicht nur das Charisma eines Ronald Reagan, sondern auch das Zeug zum Ideologen.

Seine politische Laufbahn — Abgeordneter im Repräsentantenhaus, Botschafter bei der UNO, Vorsitzender der Republikanischen Partei, Botschafter in der VR China, CIA-Direktor und schließlich Vizepräsident — basierte nie auf einem Gerüst von politischen Überzeugungen, sondern auf Beziehungen, Deals und Kompromissen, auf dem sogenannten old boys'network. Um Machtkoalitionen zu erhalten oder neu zu formen, hat George Bush mehr als einmal eine politische Wendung um 180 Grad vollzogen — hin zur Rechten, zurück zu den Liberalen; erst für, dann gegen Abtreibung; erst gegen „Reaganomics“, dann, als Vizepräsident, dafür. Vollends unglaubwürdig wurde er 1990, als er in Koalition mit dem von Demokraten dominierten Kongreß einer Steuererhöhung zustimmte. Zwei Jahre zuvor, auf dem damaligen Parteitag, hatte er hoch und heilig versprochen, eine solche Untat nie zuzulassen. Aus diesem Flickenteppich des politischen Opportunismus noch einen brauchbaren Visionär zu machen, gelang nicht einmal mehr James Baker, dem man dieses Wunder noch am ehesten zugetraut hatte. Am Ende blieb von George Bush in diesem Wahlkampf nur die Arroganz der Macht und des Amtsinhabers übrig. Andrea Böhm