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Klischee durchbrochen, Moral k.o.

■ Jenseits von Gut und Böse: Bill Dukes Drogen-Dealer-Krimi „Jenseits der weißen Linie“

Wer immer noch glaubt, der Kampf gegen harte Drogen könne mit Hilfe der Polizei gewonnen werden, der hat die Abendnachrichten nicht gesehen. Der Krieg ist längst vorbei – die Dealer haben gewonnen und bekämpfen sich höchstens noch untereinander. Gut und Böse gibt es in diesem Gewerbe schon lange nicht mehr. Wo soviel Geld und damit Macht im Spiel ist, da verwischen die Grenzen.

„Im Drogen-Geschäft wurde letztes Jahr mehr Geld gemacht als bei AT&T, IBM, US-Steel und General Motors zusammen“, weiß Regisseur Bill Duke, der immer schon „eine Aversion gegen Filme hatte, die das Geschäft mit Drogen darstellen, indem sie ein paar Schwarze zeigen, die den Stoff auf der Straße verkaufen. Die Leute ziehen den Schluß, daß das eine Sache von Minoritäten ist. Aber das ist nicht der Fall.“ In seinem Film „Jenseits der weißen Linie“ („Deep Cover“) wollte Duke „die Struktur des Handels, der Politik untersuchen“. Herausgekommen ist ein düsterer, brutaler Thriller, der unangenehme Wahrheiten zeigt und der Hoffnung keine Chance gibt.

Die Geschichte spielt in Los Angeles. Larry Fishburne, schwarz wie sein Regisseur, spielt den jungen Cop Russel Stevens jr., der sich überreden läßt, als Undercover- Agent in den Sumpf hinabzusteigen. Er soll Beweise gegen den Kopf des Drogenkartells und Neffen des lateinamerikanischen Politikers Hector Guzman (Rene Assa) sammeln.

Russel lernt schnell die richtigen Leute kennen: David Jason (Jeff Goldblum), der Anwalt mit Dealer-Ambitionen und guten Kontakten zu den Bossen, wird sein wichtigster Partner. Als die Regierung plötzlich in Guzman keinen Staatsfeind mehr sieht, sondern einen nützlichen Freund (ein Wink mit dem Zaunpfahl Noriega), verliert Russel endgültig die Orientierung und hat keine Ahnung mehr, auf welcher Seite er eigentlich steht.

„Jenseits der weißen Linie“ ist keineswegs, wie Cinema behauptet, „eine abgenudelte Undercover-Story“. Bill Duke hat vielmehr mutig das Hollywood-Klischee vom bösen Schwarzen (verkauft Drogen) und guten Schwarzen (ist Polizist) durchbrochen und zeigt die unorthodoxe Perspektive eines farbigen Cops voller Selbstzweifel und Identitätsproblemen. Daß Duke die Rolle des fiesen Monster-Advokaten mit dem Sympathieträger Jeff „Brundle-Fly“ Goldblum völlig gegenbesetzt hat, war eine ausgezeichnete Idee. „Das lange Elend“ spielt wie immer schlaksig und wirkt ein wenig hilflos als wohlerzogener Anwalt und Familienvater, der zum machtgeilen Monster mutiert. Aber gerade Goldblums naiv-argloses Grinsen zeigt die ganze Kälte, mit der die großen Dealer ihr Geschäft betreiben. Oder, wie Goldblum, der diese Rolle liebte, sagte, „die Suche nach Macht bedeutet die komplette Aufgabe aller moralischer Tugenden.“ Karl Wegmann

Bill Duke: „Jenseits der weißen Linie“. Mit Larry Fishburne, Jeff Goldblum u.a.; USA 1992; 112 Min.

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