Sprachverbrecher

■ Enorm: Wolfgang Krause-Zwieback im KITO

Sprachverbrecher

Enorm: Wolfgang Krause-Zwieback im KITO

Der Mann ist eine Zumutung. In der Kneipe würde er sich auf gar keinen Fall als „Kabarettist“ vorstellen, eher als „Artist“. In Leipzig kennt man ihn und seine Auftritte seit 14 Jahren; er ist dort eine Art Stadtindianer, was nicht nur auf seine arschlangen Haare verweist. Im Westen ist er spätestens seit diesem März eine Nummer: Da erhielt er in Mainz den Deutschen Kleinkunstpreis '92. Wolfgang Krause-Zwieback also war am vergangenen Donnerstag im KITO zu Vegesack.

Sein Wahnsinn hat Methode. Krause-Zwieback zertrümmert, wo er hinlangen kann, mit großer Geste und filigraner Wortgewalt bürgerliche Konventionen. Darin den Dadaisten und anderen Aktionskünstlern nicht unähnlich. Seine Bühne: ein Müllhaufen. Seine Kostüme: von ganz altem Adel. Seine Sprache: ein Scherbenhaufen mit Lichtblicken. Und das Publikum ist die ganze Zeit damit beschäftigt, hinter ihm aufzuräumen. Darum wird bei seinen Vorstellungen so viel gelacht.

Oder darum: „Wo ein Wille ist auf Erden, ist auch einer weg. - Menschen mit Schändungsbewußtsein - Fasso haß! - junge Niedermacher - eins zwo drei im Sauseschritt, die Welt vergeht, wir gehen mit - zieh deine Konsequenz heraus!“

Der gemeine Sprachverbrecher wütet auf einem heiklen Gebiet, weil gerade unsere sprachlichen Konventionen auf so dünnen Beinchen stehen. Man denke an den Wortverdreher. An den Stotterer. Den Taubstummen. Wer Aphasie predigt, ist gefährlich und wird weggelacht.

Ein Faun tobt über die Bühne. Sprüht vor Schweiß. Wird zum Politiker, „Ulf Minster“, der verdrehte Worthülsen mit unglaublicher Überzeugungskraft vorträgt. Er zieht sich in seiner abstrusen Umkleidebox (mit Durchgriff) um und wird raschelnder Magier oder ächzender Zwerg. Krause-Zwieback kann, ja auch das, unausstehlich melodramatisch sein, ein Existenzi-Clown ach so allein.

„Und Elfen zeigen ihre Reigen / und zeigen ihre Elfengeigen“. Heinz Erhard liebt er sehr. „Die Lust ist schön als Überfall.“ Geübte Zonis konnten bei Krause-Zwieback immer schon auch zwischen den Zeilen lesen - seine DDR-Auftritte waren denn auch meist privater Natur. Man muß aber keinen Hintersinn suchen in dem, was man hinter ihm her rekonstruiert. Sein „kabasurdes Abrett“ ist auch einfach dies: blütenzarte suggestive Poesie. Schön.

Einmal schmeißt er alle Plünnen auf einen Haufen, und dann wühlt er heftig rum, und schließlich hat er eine komische Vogelfigur gebaut. So arbeitet Wolfgang Krause-Zwieback. Auch mit seinen Worttrümmern.

Manchmal hat er eine gewisse Last mit Leuten, die so angeregt sind, daß sie mitmachen, mitspielen wollen, was natürlich nicht geht. Krause ist Künstler! Er gibt uns etwas Verlorenes wieder: Gesten, Körpersprache, Laute, Grimassen und absurd- sinniges Gebrabbel aus unserer experimentellen Phase. Aus unserer provisorischen Zeit, als alles noch offen war. Burkhard Straßmann