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Schüler für Asylbewerber-Container

■ Lange Reihe: Schülerdebatte über 'rechts', 'links' und Mitmenschlichkeit für Flüchtlinge

Nicht überall in Bremen gehen die Anwohner auf die Barrikaden, wenn es darum geht, Wohncontainer für Asylbewerber aufzustellen: die Schüler der gymnasialen Sekundarstufe II am Schulzentrum Lange Reihe haben in der vergangenen Woche beschlossen, der Sozialbehörde eine Wiese auf ihrem Schulgrundstück für Asylbewerber-Container anzubieten.

Warum? „Weil man einfach Solidarität zeigen muß“, sagte Stefan, ein Schüler der Oberstufe, zur taz, „Es gibt nicht nur ausländerfeindliche Jugendliche. Man kann dann auch Vorurteile abbauen, wenn man die Asylbewerber unmittelbarer miterlebt.“

Der zündende Funke ging von Gemeinschaftskundelehrer Frommann aus, der die Idee eigentlich nur als Provokation an die Tafel geschrieben hatte, um eine kontroverse Diskussion einzuleiten. Sie wurde vom schulinternen „Initiativkreis gegen Gewalt“ aufgegriffen, heftigst in der Schülerbeiratssitzung der Kurssprecher diskutiert und führte schließlich zu der Schülervollversammlung. Über zwei Drittel der insgesamt 240 Sek-II-Schüler nahmen daran teil.

Obwohl es auf der Versammlung hoch her ging, hat längst nicht alle Schüler das Diskutierfieber ergriffen. Ariana und Tino: „Wir haben uns nicht sonderlich drum gekümmert. Die Diskussion war auch nicht sehr sachlich und hat eigentlich nichts gebracht. Wenn jemand dagegen war, wurde er gleich als 'rechts' hingestellt. Viele haben nur aus Angst vor Druck zugestimmt.“ Alexander, ein anderer Schüler der Langen Reihe, meinte dazu: „Das ist doch genauso umgekehrt. Wenn man sich in dieser Sache engagiert, ist man für die gleich ein 'Linksaußen'. Aber ich war enttäuscht, daß so

Auf diese Wiese können Container für Flüchtlinge, wenn es nach den Schülern geht F: K. Heddinga

wenige Gegener überhaupt etwas sagen.“ So ist auch Tina „diese Sache zu heikel“, um sich dazu zu äußern.

Die betreffende Wiese wird derzeit von Leistungskursen Sport genutzt, eine Disziplin wie Speerwerfen müßte auf Bezirkssportplätze ausweichen, äußerten die Sportler als ihr Bedenken gegen die Asylbewerber. Für Oliver ist es schlichtweg „dämlich, die so abgelegen unterzubringen. Wenn dann die Rechtsradikalen kommen...“ Tina führt seinen Gedanken zuenden: „...dann sind wir auch dran!“

Auch Ariana wird es bei dem Gedanken ungemütlich: „Schließlich wissen die ja, daß wir zugestimmt haben!“ Hayriye, eine türkische Mitschülerin, sieht das ganz anders: „Das ist eine tolle Idee. Irgendwo müssen sie ja die Container aufstel

hier das foto

mit den Schülern auf der

wiese rein

len, ist doch egal, wo! Ich habe nur Angst, daß viele Angst haben und dadurch auch ihren ausländischen Mitschülern gegenüber ablehnend werden.“

Georg akzeptiert dieses Argument nicht: „Wenn wir der Angst nachgeben, bedeutet dies eine Kapitulation vor den Rechtsradikalen!“ Steffen war die Diskussion „viel zu lang. Unnötige Argumente wie z.B. eine eventuelle Lärmbelästigung und blöde Spekulationen“ seien angestellt worden. „Wir bilden doch mit unserem Zögern das gleiche Potential, das 1933 alles geduldet hat. Ich sehe da immer mehr Parallelen.“

Für Georg, den GSV-Vertreter der Schülerschaft, geriet auf der Schülerversammlung zu sehr das Rechts-Links-Denken in den Vordergrund. „Man mußte die Debatte schließlich abbre

chen“, berichtete er, weil „es sich um ein Problem der Menschlichkeit und nicht der politischen Richtung handelt“.

Nach 90minütiger Debatte stimmten 96 Schüler für und 64 gegen den Antrag für die Wohncontainer, 21 enthielten sich.

Schulleiter Hillebrand verweist stolz auf den Senatspreis für „Dem Haß keine Chance“, den eine Schülerinitiative erhalten hat. Im Hinblick auf die „Asylanten“ formuliert er jedoch die „ernsthaften Bedenken“: Bedingung für die Zustimmung der Schulleitung sei „die längst überfällige Einstellung eines festen Hausmeisters“, eine bessere Beleuchtung des Schulhofes und die Versorgung der Container mit sanitären Anlagen. Die 'Lange Reihe' hat eine Partnerschule in Lichtenhagen, sagt Hillebrand. J.D./kw

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