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Gemein: Asylheim mit Trillerpfeife angegriffen! Von Mathias Bröckers

So einen schönen Sonntagsspaziergang gab's schon lange nicht mehr: herrliches Wetter, autofreie Straßen und eine absolut bunte Mischung von 350.000 gut gelaunten Menschen. Mit Samba- Rhythmen und Blasmusik latschten Manta-Fahrer und Alt-Kommunistinnen, Punker und Nonnen, Regierungsdirektoren und Arbeitslose, Metzgermeister und Vegetarier samt Kind und Kegel durch den Tiergarten. Und wir mittenmang. Sogar unser Sohn, der fast nichts so haßt wie Sonntagsspaziergänge, trabte über zwei Stunden fröhlich mit, nachdem sein Versuch, den Horror doch noch abzuwenden, gescheitert war: „Was soll'n das für ‘ne Demo sein, wo die Leute vom Staat selbst mitlaufen? Demo ist doch immer gegen den Staat – nö, also da geh ich nicht mit.“ Gleich am Wittenbergplatz hilft dann ein Transparent den juvenilen Demo-Kritiker zu besänftigen: „Ich laufe nicht hinter Kohl her, sondern er endlich vor mir!“ – „Siehst du, so machen wir das jetzt auch.“ Und so machten es, wenn nicht alle, so doch die Mehrheit auf dieser größten Berliner Nachkriegs- Demonstration: sie ging nicht nur gegen Ausländerhaß und Neonazismus auf die Straße, sondern auch gegen eine unfähige Regierung, die diesen Terror provoziert und begünstigt. Sie demonstrierten nicht nur für eine abstrakt unantastbare Menschenwürde, sondern ganz konkret für den Erhalt von Artikel 16, agierten nicht als Schaufensterpuppen für das Ausland, sondern als Kritiker der Innenpolitik. Und dies mit einer Laune, Lebendigkeit und Vielfalt, die alle United Colours of Benneton wie blassen Werbemüll aussehen ließ. Aber wie sollen diese Massen in den kleinen Lustgarten passen – an der Friedrichstraße biegen wir ab ins Café und sodann vor den Fernseher. Was ist das? Ein sturzbetroffener Reporter redet von „unfassbaren Zuständen“, ein Professor Wolfsohn faselt von „Bürgerkrieg“, Bürgermeister Diepgen redet von „Tränen in den Augen“ – 300 Trillerpfeifen hatten es tatsächlich geschafft, den ganzen schönen Staatsakt zu ruinieren, jenen 3-Minuten-Werbespot, der der Kundschaft im globalen Dorf signalisieren sollte, daß in Germany toleranzmäßig alles okay sei. Und einen langen Fernsehabend setzt das große Wundern darüber ein, daß einer politischen Klasse, die 400.000 Asylanträge seit Jahren unbearbeitet rumliegen läßt, ihr PR-Engagement für die Menschenwühühürde nicht mehr ohne weiteres abgekauft wird. Die Eier auf das Staatsoberhaupt mögen in erster Linie einer tölpelhaften Security geschuldet sein – jeder Zweitliga-Popstar wird vor Dosenwerfern besser geschützt –, doch dies zeigt eine Wahrheit an: so inkompetent wie diese Veranstaltung so ahnungslos managen die Herren und Damen auf dem Podium auch das ganze politische Geschäft. Sie blicken einfach nicht mehr durch, die Geschäftsführer der Firma Deutschland – und wundern sich, daß sie für ihre Spitzenleistungen faule Eier ernten. Dabei hätte der bekleckerte Aufsichtsratsvorsitzende die Sache mit einem einzigen souveränen Satz herumreißen können: „Werfen sie ruhig weiter, es wäre schon viel gewonnen, wenn auch die Gewalt gegen Ausländer fürs erste auf Eier, Tomaten und Trillerpfeifen abgerüstet werden könnte.“

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