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Das große Lob am Tag danach

■ Initiatoren, Demonstrierende und Autonome werten die Berliner Großdemonstration als Erfolg

Berlin (taz) – Nach ersten, zum Teil hysterischen Reaktionen am Sonntag abend kamen gestern auch diejenigen zu Wort, die die Berliner Großdemonstration als Erfolg werteten. Die schiere Zahl der Teilnehmer, so der frühere SPD-Chef Hans- Jochen Vogel, sei ein deutliches Zeichen gegen Ausländerfeindlichkeit und ein Erfolg für die Demokratie in Deutschland gewesen. Auch Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth und Kanzler Kohl erinnern sich im nachhinein an eine „friedliche und fröhliche“ Demonstration, „für diesen Staat“. Der PDS-Vorsitzende Gregor Gysi hatte dagegen vor allem Transparente gelesen, die für den Erhalt des Artikel 16 warben, und meinte zu Recht, es sei keine Regierungsdemonstration gewesen. Auf derselben Linie lag die Erklärung des Zentralrats der Juden in Deutschland, der die Demo „als unübersehbares Zeichen der Solidarität“ wertete, angesichts derer die Störungen als ärgerliche Randerscheinungen gesehen werden müßten. Nach der ersten Aufregung hatten sich gestern die Gemüter auch so weit wieder beruhigt, daß die Randale der Autonomen auf ihren tatsächlichen Gehalt reduziert wurde. Im Abschlußbericht der Berliner Polizei ist lediglich noch von Eierwürfen auf die Rednertribüne die Rede. Die Organisatoren der Autonomen-Aktionen waren gleichwohl davon überzeugt, einen großen Sieg errungen zu haben. „Wir haben die Propagandaschau platzen lassen“, erklärte ein Sprecher von ihnen auf einer Pressekonferenz. „Die Schreibtischtäter aus Bonn haben die Sprache der Straße zu spüren bekommen.“

Entsetzt war am Montag vor allem noch Außenminister Kinkel, der am Rande einer EG-Ministerratstagung die Reaktionen seiner europäischen Kollegen unmittelbar zu spüren bekam. „Der Eindruck ist verheerend“, sagte Kinkel. Die europäischen Partner hätten den Eindruck, die Ausschreitungen seien von rechtsradikalen Randalierern angezettelt worden. Seiten 3 und 10

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