: Naturschutz soll weggebaut werden
■ Umweltverwaltung: Stellenweise vom Naturschutz „absehen“/ Schneller bauen
Berlin. In der Bau- und der Umweltverwaltung gibt es die Befürchtung, daß das Naturschutzgesetz die Erteilung von Baugenehmigungen verzögert und verhindert. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz schlägt deshalb in einem Brief an alle Bezirke vor, „Abhilfe“ zu schaffen. Nach der gültigen sogenannten Eingriffsregelung müssen Bauherren den Schaden, den sie der Natur zufügen, auf dem betreffenden Grundstück – zumindest aber in dem selben Bezirk – wiedergutmachen. Die Änderung der Umweltverwaltung sieht dagegen vor, daß etwa in Kreuzberg gefällte Bäume auch in Köpenick angepflanzt werden dürfen – zum Teil der Eingriff in den Naturhaushalt auch gar nicht „kompensiert“ werden muß.
In dem Brief werden die Bezirke gebeten, „aufgrund ihrer Ortskenntnisse“ Bereiche festzulegen, in denen eine Bebauung grundsätzlich nicht mehr als Eingriff in Natur und Landschaft gelten soll. Bei der Planung von Bauvorhaben müßte mit den bezirklichen Naturschutz- und Grünflächenämtern kein Einvernehmen hergestellt werden. Die Naturschutzverbände hätten im Gegensatz zur jetzigen Regelung keine Möglichkeit, gegen Bauvorhaben zu klagen.
In einem Thesenpapier schlägt Umweltstaatssekretär Lutz Wicke (CDU) zudem vor, daß Ausgleichsmaßnahmen nicht mehr zwingend im Rahmen des Naturschutzes oder der Landschaftspflege vorgenommen werden sollen. Ein Ausgleich könne auch durch die Anbindung des Baugrundstückes an die U-, S- oder Straßenbahn, einer energiesparenden Bauweise oder durch die Sanierung vergifteter Böden hergestellt werden. Der Wohnungsbau müsse im besonderen von finanziellen Belastungen, die durch den Naturschutz entstehen würden, entlastet werden. Wicke will einen „Pool landschaftspflegerischer Ausgleichsmaßnahmen“ bilden. Wie in einem Warenkatalog könnten privaten Bauherrn oder öffentlichen Planungsträgern Umweltprojekte angeboten werden.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) fordert die Bezirke auf, den Vorschlag abzulehnen. Die Mitwirkungsrechte der Naturschutz- und Grünflächenämter würden ausgehebelt werden und die geltende Ausgleichsregelung unterlaufen. Die Fraktion Bündnis 90/Grüne bezeichnete den Vorstoß der Senatsverwaltung als Rückfall in die Betonpolitik der fünfziger Jahre. Die Natur beginne nicht erst dort, wo die Stadt aufhöre, sagte Hartwig Berger. Gerade Tiere und Pflanzen, die sich in den Nischen der Stadt angesiedelt haben, müßten geschützt werden. Dirk Wildt
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