: Somnamboulevard – Wortuelle Realität IV Von Micky Remann
„Olé tu nueve verde!“ ruft der Torero, während der Stier ihn auf die Hörner nimmt, und macht damit immer noch eine bessere Figur als der deutsche Traumtourist, der denselben Vorgang mit „Ach, du grüne Neune!“ kommentiert. Trotzdem ein unheimlicher Abgang, „un aborto enormemente fuerte“, obwohl es geschehen kann, daß Ereignisse wie diese für die einen wie „totul in unt“, alles in Butter auf rumänisch, wirken, während sie für andere völlig „sous toute truie“, unter aller Sau, sind. Wie sich die Sprachen auf dem Somnamboulevard letztendlich zusammenfädeln, bleibt ihrem ureigenen Improvisationsgeschick überlassen, weshalb es in letzter Analyse „sautillé comme sauté“, gehupft wie gesprungen, ist, ob wir uns für „mein lieber Herr Gesangsverein“ oder „mio caro senior societá corala“ oder aber dänisch für „min kaere Hr. Sang forening“ entscheiden. Egal wie, das Ausdrucksziel wird in jedem Fall erreicht, wenn auch oft nur mit Hängen und Würgen, „con colgar y estrangular“.
Vom Joch der Wachgrammatik befreit, internationalisieren sich die Sprachbilder im dreaming peoples' mouth, um aus den lokalkolorierten Redensarten die „Redart“ planetweiter Schlafwandler zu entwickeln. Das schwören wir stone and bone, sten og ben, piedra y pierna.
„Me goes the hat high“ trifft heutzutage nicht nur auf sofortiges Verständnis in weiten Traumkreisen, es trifft auch absolut ins Schwarze, obwohl wir ebensogut sagen könnten, es träfe ins Weiße, „dar en el blanco“, wie es im Spanischen heißt. Konsequenter- wie antagonistischerweise ist das schwarze Schaf der Familie auf russisch eine „weiße Krähe“, während der Italiener nicht den Bock zum Gärtner, sondern den Wolf zum Schäfer macht. Auf französisch ist der bunte Hund ein grauer Wolf, während der Spanier nicht zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt, sondern zwei Vögel mit einem Schlag. Und wenn, was sich in England bereits auszubreiten beginnt, einem Menschen, bei dem ein paar Schrauben locker sind, vorgehalten wird „you don't have all cups in the coupboard“ – dänisch: „Du har ikke alle kopper is skabet“ –, dann läßt sich das auf gut Traumdeutsch übertragen mit „Ich glaub', dir fehlt ein Freitag“, in Anlehnung an das italienische „gli manca un venerdi“.
Die scharze Krähe hat null Bock, zero capriolo, auf weiße Gärtner, weil der bunte Wolf zwei Russen mit einem Schaf erschlägt. Unter dem Heuhaufen fliegen alle Säue hoch und krähen wie aus einer Klappe „haz de del campo!“, mach dich vom Acker. Die Italienerin findet das nur noch „animale corrosivo pazzo“, also tierisch ätzend geil, während die Spanierin dabei „ciele, culo, hilo“ flucht, nämlich: Himmel, Arsch und Zwirn, auch wenn wir damit vom Thema ablenken wie die Tassen vom Schrank.
Fest steht, daß linguistische Mulattenbildung und Artenvermischung, the Art of Vermischung, in der Natur der Sprache selbst liegt, weshalb auf Suaheli die Neureichschwarzen wegen der von ihnen bevorzugten Autos „wa-benzi“, Benzmänner, genannt werden. Das war's für heute, denn ich glaube, mein Schwein pfeift, credo che il porco mio fischia.
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