Durchs Dröhnland: Gewinnbringende Suppenkasper
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Schlicht und einfach die beste weiße Rock-Band des Universums. Jedenfalls im Moment. Alice Donut stammen aus New York, waren mal durchaus der dort verbreiteten Noise-Fraktion verhaftet, besannen sich aber zuletzt darauf, straighten Punkrock zu machen, ohne ihre Wurzeln zu vergessen, was darauf hinausläuft, daß ihr Punkrock doch nicht so straight ist. Alice Donut haben den Jazz, den Rock, sogar den Blues, manchmal gar den Funk, auch den ganzen Rest, der heute so zu Hardcore gehört, aber hören sich nie an wie irgend jemand sonst. Wie sie das machen, ist mir zwar schleierhaft, aber auch relativ egal. Ihr Punkrock ist zwar Kunstmusik, aber dann halt doch nicht – Gott sei Dank. Alles ist stumpf und dann wieder doch nicht, die Musik von Alice Donut ist gespickt mit blöden Witzen, bösen Überraschungen und billigen Tricks. Sie fangen haarscharf da an, wo Pop aufhört, ohne wirklich Rock zu sein, kommen aber auch nie in die Gefahr, irgendwann dann doch Pop zu werden. Halt die beste Band des Universums. Im Ernst.
Mit Into Another am 13.11. um 22 Uhr im SO 36, Oranienstraße 190, Kreuzberg
Nine Pound Hammer wiederum fangen genau da an, wo Rock anfängt. Harter Rock, wie schon der Namen nahelegt, ohne Umschweife, wirklich stumpfer Stoff. Wer glaubt, daß die Ramones schon eintönig sind, sollte sich dies anhören. Nine Pound Hammer haben ungefähr die Eleganz eines 20-Tonnen-Trucks, bei dem die Bremsen auch schon bessere Zeiten gesehen haben. Live demonstrieren sie vor allem viel Schweiß und gar nicht so viel Whiskey, wie es ihre Herkunft aus Kentucky nahelegen würde.
Am 13.11. um 21 Uhr im Huxley's Jr., Hasenheide 108–114, Kreuzberg
Radical Dance Faction begannen genau da, wo The Clash mittendrin aufhörten. Die hatten immer die hübschen kleinen Ska- Stücke aus Jamaika gecovert, zum einen, weil beim Rhythmus jeder mitmuß, zum anderen wegen der Volkssolidarität und so. Kurz und schlicht: Punk und Reggae fühlten– jedenfalls von seiten des Punk aus – bereits früh eine Seelenverwandtschaft. Die Zeiten haben sich geändert, Punk ist nicht mehr das, was er mal war, obwohl er das wahrscheinlich nie war, und deswegen sagt Chris Bowsher, Sänger der Radical Dance Faction: „Reggae ist die Stimme der Opposition. Rock 'n' Roll ist Establishment.“ Deswegen spielen Radical Dance Faction Reggae, wenn auch mit Punk-Einflüssen wie einer entsprechend verzerrten Gitarre. Bowsher ist Dub-Poet und großer Verehrer von Linton Kwesi Johnson. Die Band spielt die ewig wiederkehrende Schleife, Bowsher rezitiert dazu seine Poems. Auf Platte wird das Ganze oft mit Samples und anderen Gimmicks angefettet, live kann sich dagegen die Monotonie voll entwickeln. Vielleicht sind Radical Dance Faction das beste an Dub-Reggae, was momentan zu hören ist, wenn man nicht gleich nach Jamaika fahren will.
Am 13. und 14.11. um 22 Uhr im K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg
Harry Coltello fängt da an, wo Hannes Wader aufhören mußte. Wer traut sich heutzutage und hierzulande schon allein mit einer Gitarre vor ein Publikum? Nur Verrückte oder Leute, die es nötig haben. Harry Coltello hatte es eigentlich nicht nötig, er hatte eine eigene Band, die seine selbstverfaßten Stücke spielte. Doch er ließ sie sitzen, um sich wieder allein durch rauchige Clubs zu spielen. Und wie das mit Liedermachern so ist: Man muß sie mögen, oder man mag sie nicht. Coltello hört sich mal nach Joan Baez, mal nach Dylan an, er macht das Beste draus. Doch auf diese Tour kommt er mit einer neu zusammengestellten Band aus Tico Zamora, der schon bei H.R. und Mo Tucker Bass spielte, und Steve Hahn, dem Schlagzeuger von Jingo de Lunch, was auf eher schroffere Töne schließen läßt.
Am 14.11. um 22 Uhr auf der Insel
The Beautiful South fingen an, als die Housemartins sich auflösten. Paul Heaton war der glockenhelle weiße Soul-Crooner der Band aus Hull, die sich mit unschuldigstem Gitarrenpop in die Charts schwindelte, um dort die Terroristengang zu mimen. Man dachte, im Schmalz wegzuschwimmen, während Sätze wie „Don't shoot somebody tomorrow that you can shoot today“ ans Bewußtsein klopften. Mithin hatten die Housemartins eine der bereits Jahre vorher von Bands wie Scritti Politti entwickelten subversiven Poptheorien endlich in die Tat umgesetzt. Irgendwann waren sie dann enttarnt und wurden schnell akzeptiert als gewinnbringende Suppenkasper im Popgeschäft. Folgerichtig lösten sie sich auf, aber Heaton machte mit dem letzten Housemartins-Trommler David Hemmingway den wunderschönen Süden auf und klang fortan auch so. Besonders eckig waren auch die Housemartins musikalisch nicht gewesen, aber das hier troff nur noch. Auch textlich hielt sich Heaton sehr zurück, Alltagsprobleme standen plötzlich im Vordergrund, das Skurrile im Gewöhnlichen, die kleinen Geschichten zum Schmunzeln. Auch Paul Heaton hatte den Rückzug ins Private angetreten, wie so viele Linke in den letzten Jahren, aber immer noch macht er perfekte Popmusik, und immer noch ist seine Stimme schlicht wundervoll.
Am 15.11. um 20 Uhr in Huxley's Neuer Welt
Yellowman fing da an, wo Bob Marley starb und Neues geboren wurde. Er markiert wie kein anderer den Übergang vom songorientierten Reggae von Marley, Peter Tosh oder Jimmy Cliff zum Dancehall-Reggae der Jetztzeit mit großer Verwandtschaft zum HipHop. Damals hieß das noch Dub- Reggae, was nicht viel mehr bedeutete, als daß viel gesprochen wurde, aber die Refrains meistens noch gesungen waren. Dort hieß das Toasten, woanders nennt man es rappen. Es gibt auch Leute, die behaupten, daß insbesondere Yellowman den amerikanischen HipHop stark beeinflußt hat, jedenfalls hat er Platten aufgenommen mit Afrika Bambaata und Run DMC, die Fat Boys haben ein Stück von ihm gecovert. In Jamaika ist der Albino ein Star, fast schon Mainstream. Die aktuellen Entwicklungen, sprich den Dancehall-Style, hat er allerdings etwas verschlafen. Seine Band spielt eher Reggae, er toastet viel inklusive der altbekannten Heim-nach- Afrika-Ideologie, die nun auch nicht mehr so modern sind.
Am 15.11. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg Thomas Winkler
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