: Quartiermeister mit Power
■ Die Unterkunft in der Schanzenstraße bleibt für weitere sechs Monate / Wachdienst kontrolliert Gäste - Kontaktsperre für Asylbewerber?
bleibt für weitere sechs Monate / Wachdienst kontrolliert Gäste — Kontaktsperre für Asylbewerber?
Die Männer standen plötzlich auf dem dunklen Flur im ersten Stock der Asylbewerberunterkunft Schanzenstraße 2-4. Die geballten Fäuste beulten die Taschen ihrer Lederjacken und Trenchcoats, ihre Stimmen vibrierten voll Anspannung. Zu dritt blockierten sie den Ausgang.
Ein Herr in Lederkluft gab sich als Quartiermeister Broszeit vom Bezirksamt Mitte zu erkennen. „Hausfriedensbruch“ warf er den Journalisten vor, die das Haus verlassen wollten. Vorangegangen war ein Gespräch zwischen Asylbewerbern und Pressevertretern über die Wohnsituation in dieser Unterkunft. „Ohne Genehmigung der Verwaltung darf niemand die Wohnungen betreten“, belehrte der Quartiermeister. Ob denn die Bewohner nicht einladen könnten, wen sie wollten? „Das ist eine Gemeinschaftsunterkunft“, stellte Broszeit kategorisch fest.
Wohl auch deshalb kontrolliert ein Wachmann der als „besonders aggressiv“ verrufenen Firma „Power“ seit einer Woche das Gebäude. Die Bewohner haben für den Haupteingang keinen Schlüssel mehr. Wer das Haus betritt, wird zumindest gesehen. „Wir wollten die Räumung des Hauses am Monatsende gewährleisten“, erklärt Klaus-Dieter Bobke, Leiter des Sozialamts im Bezirk Mitte. Das ist jetzt allerdings nicht mehr nötig. Das Antirassistische Telefon hat mitgeteilt, daß die drei Familien, die noch in dem Haus wohnen, zumindest bis Ende Mai nächsten Jahres auch dort bleiben können. Von Bezirksamtsleiter Peter Reichel wurde die Vertragsverlängerung mit Hauseigentümer Hermann für ein halbes Jahr bestätigt.
Bobke wollte sich jedoch nicht dazu äußern, ob die Bewohner nun wieder ruhig in der Schanzenstraße wohnen können. Der Sozialamtschef: „Ich habe sowieso den Eindruck, daß diese Asylbewerber sehr privilegiert sind.“ Die Heizung sei nie abgestellt worden, wie dem Bezirksamt mehrmals vorgeworfen wurde, sondern „der Eigentümer hatte vergessen, sie auf Winterbetrieb umzustellen“.
Der Streit um das Gebäude hatte sich entzündet, als das Bezirksamt die vergleichsweise gute und billige Unterkunft aufgeben wollte. Heute rechtfertigt Bezirksamtsleiter Peter Reichel den Beschluß mit der Weigerung des Vermieters, auf einen kurzzeitigen Vertrag einzugehen. „Im nächsten Jahr hat Herr Hermann sowieso andere Pläne mit dem Haus“, erklärt Reichel. Deshalb habe man sich jetzt auch noch einmal geeinigt.
Quartiermeister Broszeit und seine „Gorillas“ vom Wachdienst begannen Personalien aufzunehmen. Warum sie so gereizt reagierten, konnte auch Sozialamtschef Klaus-Dieter Bobke nicht erklären. Daß sein Quartiermeister in Anwesenheit eines Asylbewerbers einen Kollegen mit „Heil Hitler“ begrüßt haben soll, kann sich Bobke nicht vorstellen. Er will der Anschuldigung aber nachgehen. „Es wäre eine Ungeheuerlichkeit“, sagt er. Quartiermeister Broszeit selbst reagierte auf den Vorworf abgeklärt: „Kein Kommentar“. Torsten Schubert
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