Sanssouci
: Nachschlag

■ „Unerhörte Musik“ in der Berliner Kabarett Anstalt

Sopran, Flöte und Gitarre – das ist sicherlich eine ungewöhnliche Besetzung; nicht nur, daß die geringe dynamische Breite der beiden Instrumente, zumal in der Kombination mit einer Opernsängerin, eine Schwierigkeit darstellt, obendrein stellt der Mangel an Literatur eine solche Besetzung vor ein weiteres Problem.

In ihrem Konzert am letzten Dienstag im BKA löste die amerikanische Mezzosopranistin gemeinsam mit ihren Mitmusikern, dem Flötisten Henner Eppel und dem Gitarristen Volker Höh, zumindest letzteres aufs einfachste: In sechs programmierten Stücken durfte die Gitarre zweimal die Flöte und zweimal die Stimme begleiten, wodurch für die Gesamtbesetzung nur zwei Stücke übrigblieben.

Zudem war das Programm in der „Unerhörten Musik“ so gewählt, daß, sollte allzu Unerhörtes geschehen, es nicht aus dem Rahmen fallen konnte, den zwei Tangos von Astor Piazolla für Flöte und Gitarre als Eröffnung und sieben spanische Volkslieder von Manuel de Falla in einer Bearbeitung für Stimme und Gitarre als Abschluß des Konzertes bildeten. Leider aber geriet bereits dieser Rahmen allzu hölzern – die Tangos kamen eher wie ein Foxtrott daher, und die spanischen Volkslieder klangen, als hätte sie ein recht untalentierter Transskripteur erst von Gitarre auf Klavier übersetzt, um einem noch untalentierteren Kollegen die Rückübersetzung zu belassen. Vielleicht ist Volker Höhs musikalische Ausrichtung auch schlichtweg zu nordeuropäisch, um seiner Gitarre die nötigen rhythmischen Impulse zu entlocken.

Die beiden Kompositionen für die gesamte Besetzung konnten, trotz ihrer Unterschiedlichkeit, kaum über ihre Ausrichtung als rudimentäre „Pierrot Lunaire“-Fassungen hinwegtäuschen. Helge Jung steuerte mit seinem Stück „AusLandEinWärts“ nach Texten von Sarah Kirsch und Günter Kunert eine Uraufführung bei, die sich nicht so recht zwischen intervallischer Expressivität und Klangexperiment entscheiden wollte. Manfred Trojahns „Risse des Himmels“ nach vier Gedichten von Johannes Poethen wirkte dagegen weitaus durchgearbeiteter und durch Knappheit in sich geschlossen, blieb aber trotzdem dem Standard zeitgenössischen Komponierens völlig verhaftet. Ein miserables Stück von Edisson Denissow für Flöte und Gitarre, das aus nichts als unmotiviert-virtuosem Geranke besteht, und Isang Yuns „Gagok“ vervollständigten das Programm, wobei letzteres, vermutlich aus den siebziger Jahren – der stärksten Phase Yuns – stammend, die erfrischendste Musik des Abends bot.

Ein berauschendes Konzert war's sicher nicht, litt doch zudem die Sängerin unter derart starken Intonationsproblemen, daß selbst ihre professionellen Verdeckungskünste nicht halfen, darüber hinwegzutäuschen. Und trotz flotter Finger- bzw. Klappenbewegungen und schwergeschmückter Biographie wirkten auch ihre beiden Mitmusiker eher hausbacken. Was insgesamt den Eindruck verstärkte, daß sie sich vielleicht selbst längst bewußt sind, daß Programmzusammenstellung und Literatur-Recherche, gerade bei solchen unorthodoxen Besetzungen, nicht allzu stiefmütterlich behandelt sein wollen. Fred Freytag