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Nackt mit Charakter

Die Male-Strip-Show „American Dream Men“ erfüllt Männerträume von Frauenwünschen  ■ Von Klaudia Brunst

Es riecht ein bißchen nach Friseusen-Treffen und ist so eine Art Jahrestag der deutschen Steuerzahlerinnen: Sekretärinnen haben sich nach Büroschluß eingefunden, Boutique-Besitzerinnen treffen hier ihre Konkurrenz. Hochgekochte Frauen von fünfzehn bis fünfundfünfzig sitzen mit den von der Natur weniger Gesegneten einträchtig in Reih und Glied auf eng gestellten Plastikstühlchen. Die vielen Zuspätgekommenen kämpfen sich mühsam durch giggelnde, wogende Massen zur Bühne vor. Ein kurzer Stop an der Bar – „Drei Cognacs und einen Sekt, bitte!“ – dann kann es eigentlich losgehen.

Im Berliner Metropol am Nollendorfplatz ist heute abend ausnahmsweise „women only“, denn in dieser Nacht werden die „American Dream Men“ erwartet. Durchtrainierte Male-Strip-Profis, die auf bunten Plakaten angekündigt haben, hier und heute einmal ihr Allerheiligstes zu zeigen. In Mannheim, Hannover und Hamburg waren sie bereits, nun gilt es noch die Hauptstädterinnen zu erobern. Dann geht es wieder zurück ins warme Kalifornien, wo die Palmen so viel hübscher sind als auf dem immer noch geschlossenen, kitschigen Bühnenvorhang.

Die Stimmung ist gut, wenn auch nicht so euphorisch wie in der Provinz, wo die Wogen der Begeisterung bekanntlich stets höher schlagen. Die Berlinerin als solche ist da doch eher verhalten. Als im letzten Sommer die weltweit erfolgreichste US-Male-Strip- Truppe „Chippendales“ am Stadtrand ihr Zelt aufschlug, sorgten noch die vielen hier stationierten Amerikanerinnen für stundenlanges ohrenbetäubendes Soprankreischen. Aber die sind mittlerweile fast alle wieder im Land der unbegrenzten Unterhaltungs- Möglichkeiten, wo der Male-Strip schon seit Jahren ein einträgliches Geschäft ist. So müssen sich die Berlinerinnen heute abend alleine auf Touren bringen. Langsam zeigt der Cognac seine Wirkung, und als endlich der Vorhang aufgeht, die ersten acht „Dream Men“ ihre ersten acht Ärsche zeigen, da kreischen die sittsamen Sekretärinnen auch schon fast so schrill wie ihre amerikanischen Vorbilder.

„Good evening, Ladies!“ haucht Prince Matchabelli, ein hagerer Entertainer mit Oberlippenbärtchen ins Mikrofon, „Welcome to our California Dream Show.“ Er allein darf sich ein bißchen Körperbehaarung auf Brust und Bauch leisten, im Male-Strip-Geschäft zählt sonst nur der makellos rasierte Herrenbody unter dreißig, pickelfrei wie ein Kinderpopo und straff wie eine frühreife Avocado. Und dann tanzen die Männer ein bißchen, springen nach links, hechten nach rechts. Formvollendet ausgeführte Liegestütze sollen an gewisse Kopulationsriten erinnern – da kreischen die Frauen vor Vergnügen, und die Boys treibt es angesichts dieser Begeisterung ein erstes Mal in die vorderen Stuhlreihen. Rittlings setzen sie sich den überraschten Frauen auf den Schoß, betatschen deren Oberweite, lassen ihre solargebräunten Finger durch makellose Fönfrisuren gleiten – wenn es ganz wild wird, beißen sie ihren Sitzunterlagen auch schon mal verspielt in den Nacken.

Kaum weiß die Brünette vorne rechts, was ihr soeben geschehen ist, ist ihr Adonis auch schon einen Stuhl weiter gerückt. Same procedure as every evening: Tatschen, kraulen, weitertanzen.

Wer in der ersten Reihe sitzt, bekommt für seine 54 Mark Eintritt so einiges geboten. Die hinteren Sitzplätze recken die Hälse – „einmal anfassen“ würden sie ja schon gerne. Aber vielleicht ist es gar nicht so schlecht, etwas abseits dieser Männer-Shows zu sitzen, die moderne Damenbelustigungen sein sollen, aber dann doch eher perfekt choreographierte Beispiele für die sexuellen Allmachtsphantasien des männlichen Geschlechts sind. Denn während ein allgegenwärtiger Security-Service streng darauf achtet, daß niemand den „Dream Men“, den „Chippendales“ oder den „Adonis“ außerhalb der vorgesehenen Acts zu nahe kommt, haben die Herren auf der Bühne stets freie Auswahl. Zielsicher greift sich Traummann Dennis Paris in seiner „Motorcycle Number“ ein unscheinbares Mauerblümchen aus der Masse, mitleidig lächelnd hebt er ihren Plüschtierrucksack in die Höhe. Die Frauen ringsum lachen hämisch über so viel kindliche Verspieltheit. Dann zieht er die junge Frau hinauf auf die Bühne, zwingt sie in die gespreizte Rückenlage und schmeißt sich in seinem ledernen G-String auf die verdutzte Brillenträgerin, die nun gar nicht anders kann, als ein wenig mitzutun. Zaghaft tätschelt sie seinen Allerwertesten, während Dennis schon eilfertig am Bändchen nestelt. Als die letzte Hülle gefallen ist, johlen die Frauen über so viel Tolldreistigkeit, und der Verspielten auf der Bühne beschlagen vor Aufregung (und Scham?) die Brillengläser. Später, nach der Pause, muß sie noch einmal herhalten, sich von zwei langmähnige Hünen rittlings schultern und durch die Stuhlreihen wirbeln lassen. Da ist sie dann schon etwas gelassener – vielleicht auch das die Wirkung eines kleinen Cognacs.

Nach dem Eroberungsfeldzug durch die USA beackern die diversen Male-Strip-Truppen nun auch das etwas altmodische Europa. Mit vielen Worten verkaufen sie ihre Shows als den besseren Weg zu weiblicher Lust-Emanzipation. Anstatt den Männern ihre kleinen erotischen Ausflüge in die Pornoshops und Peepshows mieszumachen, sollen sich die biederen Hausfrauen, schüchternen Bankangestellten und flotten Sekretärinnen doch einfach einmal revanchieren. Junge Burschen als Objekt weiblicher Begierde, der Mann im Dienst des feuchten Schritts – wenn das kein Fortschritt ist!

Nur zeigen die Show-Acts dann doch eine ganz andere – viel alltäglichere – Realität: Da werden Frauen in Badewannen gezerrt, auf Stühlen gefesselt, von einer uniformierten Männerhorde umzingelt und betatscht, oder sie fühlen plötzlich – mit verbundenen Augen – den Stiel einer Reitgerte in ihrem Schritt.

Was auf den Bühnen der Male- Strip-Shows geboten wird, ist eben nicht die Umkehrung der geschlechtlichen Machtverhältnisse, wie sie die Stripperinnen auf St. Pauli mit ihren Kunden so kenntnisreich inszenieren. Beim Male- Strip, bei dem männliche Zuschauer wohlweislich unerwünscht sind, bleibt die Männerdominanz ungebrochen, wird die Welt nicht in ihr Gegenteil verkehrt.

Fünfhundert Dollar und mehr kassiert ein Dream-Boy pro Woche, dafür muß der in zahllosen Auditions Auserwählte täglich einige Stunden Body-Building betreiben, seine Brust rasieren und laut Vertrag allabendlich schmal beschürzt „fun“ bei der Arbeit haben. Er wolle seine Boys nicht nur nackt, „sondern nackt mit Anspruch und Charakter“, erklärt Walter Painter, der im vergangenen Jahr die Dream Men eigens für den europäischen Markt gegründet hat. Man hält sich in der Branche das professionelle Tanzniveau zugute, gefragt sind „erstklassige Sänger, erstklassige Tänzer, erstklassige Stripper“. Sie rauchen nicht, trinken nicht, haben blendend weiße Zähne und sind nicht selten schwul.

Abends lassen sich die Kunstprodukte aus dem Hantelstudio für ihre Schönheit gegen Eintritt bewundern, reiben sich selbstgefällig die Eier – und finden sich dabei natürlich „really great“. Als „Lustobjekt“ fühle er sich eigentlich nicht, erklärte Michael, einer der Star-Stripper der Chippendales, nach der Berliner Premiere, „eher schon als Kunstobjekt“.

Die Frauen im Metropol, die gekommen waren, um sich einmal für die Peepshow-Kränkungen und Pornophantasien ihrer Männer zu revanchieren, versuchen die Stellung zu halten, so gut es eben geht. „Der wäre mir zu schwarz“, raunt eine aufgedonnerte Blondine ihrer Freundin zu, als Cappuccino, der einzige schwarze Dream-Boy, nach seiner Strip-Nummer völlig nackt auf der Bühne steht. Am Ende der Show, wenn alle noch einmal für einen kurzen, letzten Satz an die Rampe treten, wird er sich für diese abschätzige Bemerkung wiederum erfolgreich rächen. „Isch möchte mit Eusch allen schlafen!“ grinst Cappuccino selbstherrlich ins Publikum, und Jeff Schnoebelen, der seinen Knackarsch vorhin unter der Dusche präsentieren mußte, setzt nach: „I wanna shower with you all tonight!“

Die versöhnende Geste zwischen den Geschlechtern findet auch bei den Chippendales erst nach der Show statt. Wer sich mit seinem Lieblingstraumboy für fünfzehn Mark fotografieren lassen will, darf jetzt die Bühne erklimmen. Dort stehen die sechzehn Traumjungens in Smoking- Hose und Herrenschleife. Allzeit lächelnd, allzeit bereit posieren sie mit ihren Fans, machen gelassen den Hanswurst. Für eine knappe halbe Stunde, dann ist auch das vorbei. Draußen vor der Halle warten schon die Ehemänner, um ihren Besitz wieder in Empfang zu nehmen.

California Dream Men im Metropol am Nollendorfplatz Berlin: wieder am 22., 23., 28., 29.November, am 4. und 5.Dezember.

Videos (45DM), T-Shirts (25DM), Sweat-Shirts (45DM) und den „California Dream Men Art Kalender“ (45DM) gibt es bei den California Dream Men, L7, 7a, 6800 Mannheim.

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