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...und das Weltbild stimmt wieder-betr.: "Karnavalistische Ausschreitungen" (Kölner Straßenfest gegen Rassismus und Ausländerhaß), taz vom 11.11.92

betr.: „Karnevalistische Ausschreitungen“ (Kölner Straßenfest gegen Rassismus und Ausländerhaß), taz vom 11.11.92

„Ordnung ist fürwahr eine deutsche Tugend. So gibt es Anliegen, für die zu demonstrieren in Deutschland nur bestimmten Personen mit klar umrissener Gesinnung zusteht. Alles andere verstieße gegen die politische Hygiene... Am Bösen orientiert sich das Gute. Das Gute aber ist, zumal in Deutschland, links, exklusiv und in der Minderheit. Wo erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Hunderttausende gegen Rechtsradikalismus und Ausländerhaß auf die Straße gehen, ist diese gerade zurückgewonnene Übersichtlichkeit schon wieder bedroht: Die linke Szene reagiert – um ihrer selbst willen.“ (Matthias Geis, taz vom 10.11.92, zu den Aktionen der Autonomen auf der Berliner Demonstration für die Würde des Menschen)

Diese von Matthias Geis angesprochene Ordnung und politische Hygiene sah wohl auch Euer Autor Hans-Martin Tillack bei der Kölner Manifestation gegen Rassismus und Ausländerhaß gefährdet. Da hatten es doch 100.000 Kölner gewagt, die ach so deutsche Trennung von politischem Engagement und Lebensfreude zu mißachten, und einem Solidaritätskonzert „selig schunkelnd“ Volksfestcharakter verliehen. Pfui aber auch, man fühlte sich ja geradezu an politische Manifestationen in Italien oder Spanien erinnert. Solche Leute wie den Willy Millowitsch einzuladen beschwört ja geradezu die Gefahr herauf, daß man auch Kreise erreicht, in denen die Ablehnung von Rassismus gar nicht so selbstverständlich ist. Und dann diese kölschen Lieder. Nicht auszudenken, wenn Begriffe wie Heimat auch von Linken besetzt werden und Heimatverbundenheit und Antirassismus sich nicht mehr ausschließen.

Aber Gott sei Dank hat Hans- Martin Tillack die so sehr liebgewonnene Übersichtlichkeit wiederhergestellt. Da werden ein gelungenes Konzert und Lebensfreude zu „karnevalistischen Ausschreitungen“ deklariert, die Bläck-Fööss-Lieder „Unser Veedel“ und „Drink doch eene met“, die eigentlich Nachbarschaftssolidarität und menschliche Wärme thematisieren, müssen dann konsequenterweise „rheinische Trinklieder“ werden. Der Rest der Republik wird mit dem Begriff Karneval schon brav irgendwelche Prunksitzungen assoziieren, die gerade in Köln noch lebendigen Reste der subversiven, oppositionellen Wurzeln des Karnevals werden ein weiteres Mal untergebuttert, und das Weltbild stimmt wieder. Dieter Raulf, Köln

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