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USA gerüstet für Somalia-Intervention

■ US-Regierung bietet der UNO die Entsendung von bis zu 30.000 Soldaten nach Somalia an / "Ernsthaft besorgt" über Blockierung von Hilfslieferungen/ Sicherheitsrat soll in den nächsten Tagen beschließen

Washington (wps) – Mehrere tausend US-Soldaten sind Richtung Somalia unterwegs, nachdem die US-Regierung den Vereinten Nationen die Entsendung einer Eingreiftruppe mit einer Stärke von bis zu 30.000 Mann angeboten hat. Sie soll die internationale Hungerhilfe in dem kriegszerstörten Land am Horn von Afrika vor den somalischen Clan-Milizen schützen.

Anfang der Woche hatte UNO- Generalsekretär Butros Ghali einen Somalia-Bericht vorgelegt, demzufolge 80 Prozent der im Land ankommenden Hilfsgüter geplündert werden. „Der Kreislauf der Erpressung muß gebrochen werden“, heißt es in dem Bericht. Am Mittwoch verlautete daraufhin die US-Regierung, sie sei „ernsthaft besorgt“ über die jüngsten Versuche somalischer Kriegsherren, Hilfslieferungen in das Land zu blockieren. Der amtierende US-Außenminister Lawrence Eagleburger flog nach New York und bot Butros Ghali die Truppenentsendung an.

Falls die UNO zustimmt, so US- Beamte, seien 6.000 Soldaten der 82. US-Luftlandedivision binnen 24 Stunden einsatzbereit; innerhalb weniger Tage könne die Division 12.000 weitere Soldaten bereitstellen. Das Pentagon erklärte, 6 US-Kriegsschiffe mit 2.500 Marinesoldaten, 16 Harrier-Kampfflugzeugen und Hubschraubern, momentan im Indischen Ozean Richtung Somalia unterwegs, seien in der Lage, am Wochenende dort einzutreffen.

In den nächsten Tagen wird sich der UNO-Sicherheitsrat mit dem US-Vorschlag befassen. Die UNO steht vor der Wahl, sich hinter die USA zu stellen oder sich auf die bereits autorisierte, aber noch nicht existierende 3.500 Mann starke Blauhelmtruppe zu beschränken. Die USA betonten, ihr Truppenangebot gelte nur dann, wenn weitere Länder sich einer „multinationalen Koalition“ anschließen würden.

Zurschaustellung militärischer Macht

Die Militärintervention solle in drei Phasen verlaufen: Zuerst eine großangelegte Zurschaustellung militärischer Macht durch Tausende schwerbewaffneter Soldaten; später sollten diese Soldaten durch eine UNO-Truppe ohne US-Beteiligung ersetzt werden; und schließlich sollte sich die UNO-Truppe auch zurückziehen und ihre Aufgaben an somalische Polizeieinheiten übergeben. 2.000 US-Marines könnten auch nach dem US-Rückzug auf Schiffen vor der somalischen Küste stationiert bleiben. Einsatzgebiet der US- Truppen soll hauptsächlich der Hafen von Mogadischu sein; außerdem sollen sie Hilfskonvois schützen. An eine ständige Präsenz auf Transportwegen im Inland wird nicht gedacht.

Ein Pentagon-Beamter sprach von einer „völligen Veränderung“, die innerhalb der letzten Woche in US-Militärkreisen in Bezug auf Somalia stattgefunden habe. Anhänger einer Militärintervention seien insbesondere Verteidigungsminister Cheney und Generalstabschef Powell. Die Intervention wird offenbar als ungefährlich betrachtet. „Keiner geht da rein und erwartet irgendwelche Verluste an amerikanischem Leben“, sagte ein Teilnehmer der Beratungen im Verteidigungsministerium. Die Risiken seien nicht größer als beim Abheben von einem Flugzeugträger. Aber der zitierte Pentagon- Beamte sagte, die Anzahl an benötigten Soldaten „könnte schnell wachsen“, wenn sich somalische Kriegsherren widersetzen.

Das befürchten vor allem die vor Ort tätigen Hilfsorganisationen. Ein Sprecher von „Save the Children“ sagte, eine Truppenentsendung ohne vorherige somalische Zustimmung „könnte die ganze Hilfsoperation in Gefahr stürzen“. Ein Sprecher des UNO- Welternährungsprogramms sagte: „Wir sind ziemlich besorgt, daß Krieger als Reaktion gegen die Hilfsarbeiter im Land vorgehen.“ Ein Hilfsarbeiter meinte: „Kurzfristig könnte eine Militärintervention die Hilfsarbeit behindern, und wie soll sie langfristig dazu beitragen, die somalische Krise zu lösen?“

Auch Butros Ghalis Somalia- Bericht, der als Katalysator für die USA diente, spricht von einem „Invasions-Syndrom“ der somalischen Kriegsparteien, insbesondere des Generals Aidid, der den Großteil der Hauptstadt Mogadischu kontrolliert. Eine Intervention, so der Bericht, könnte Aidid dazu bewegen, eine gemeinsame Front mit seinem Hauptgegner, dem Interimspräsidenten Ali Mahdi, zu bilden. Bisher haben sich die somalischen Kriegsparteien lediglich darauf verständigt, zusätzlich zu den bereits auf Mogadischus Flughafen stationierten 500 pakistanischen Blauhelmen ein kanadisches Kontingent aus 750 Soldaten nach Somalia zu lassen. Die ersten 150 davon sollen am 5. Dezember im nordostsomalischen Bosasso eintreffen.

In den USA wird die Regierungsinitiative einhellig begrüßt. Der gewählte Präsident Bill Clinton sagte, er fände es „so herzerfrischend, daß die USA jetzt die Initiative ergreifen“. Und Schwarzenführer Jesse Jackson sagte, dies sei „Amerika von seiner besten Seite“. Die erste negative Reaktion kam von der Regierung Sudans. Sie sagte, sie akzeptiere in Somalia keine Eingreiftruppen von außerhalb der Region.

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