: Zum Start „akademischer Schmähakt“
■ Ein Rückblick: Chronologie des Hochschulstreiks 1988/89
Berlin. Noch vor dem Festakt am 4. Dezember '88 begannen die damaligen Hochschul-Proteste mit der Besetzung des Lateinamerika- Institutes (LAI). An der 40-Jahr- Feier kristallisierte sich der ganze UnIMut über die Zustände an der Freien Universität. Die Studierenden funktionierten das ganze zu einem „akademischen Schmähakt“ um und riefen eine BeFreite Universität aus. Nach und nach wurden alle Institute in Dahlem besetzt und erhielten Namen wie „Klaus-Störtebeker-Institut für anschlagsrelevante Geschichte(n)“. Es bildeten sich ein BesetzerInnen-Rat und ein weiteres übergreifendes Gremium mit dem seltsamen Namen „Inhaltsrat“.
Den Studierenden ging es um die Wiederherstellung der Autonomie der Universität. Unter dem Titel BeFreite Universität wurde für alle universitären Gremien Viertelparität gefordert, außerdem sollten sie quotiert werden, und es sollte eine „Einrichtung von Frauen für Frauen“ gegen Sexismus geschaffen werden. Die durch die sogenannten An-Institute begonnene Trennung von Forschung und Lehre wäre zurückzunehmen, autonome Seminare sollten als selbstbestimmte Lehr- und Lernform gleichgestellt und materiell abgesichert werden. Darüber wollten die Studenten nicht verhandeln, ehe FU-Präsident Heckelmann („Heckelbär“) zurückgetreten wäre. Außer über die Besetzt, einem noch heute als Lieblingszeitung firmierenden Vier-Seiten- Blättchen, gab's kaum Infos. Mit der Presse zu sprechen war verpönt.
Eberhard Diepgen versuchte die Studierenden durch Einladungen an RCDS-Leute zu spalten. Sein Innensenator Wilhelm Kewenig ließ mit der Polizei-Sondertruppe EblT studierwilligen Medizinstudierenden den Weg zu Praktika freiprügeln. Die Gummiknüppel machten oft genug aus braven Zufallsblockierern überzeugte Streikposten und Teilnehmer autonomer Seminare. Schließlich bat FU-Präsident Dieter Heckelmann, die Polizei abzuziehen. Inzwischen war es Januar geworden, das FU- Kuratorium zog die Strukturbeschlüsse zurück, die den Protest ausgelöst hatten. Und Bürgermeister Diepgen stellte 20 Millionen Mark zur Verfügung, mit denen unter anderem kurfristig je 100 wissenschaftliche Mitarbeiter und studentische Hilfskräfte eingestellt werden sollten. Christian Füller
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen