piwik no script img

James Brown: Sex- Machine unpünktlich

■ „Masters of Funk & Soul“ verloren cooles timing

Einige schimpften und wollten ihr Geld zurück, andere waren froh, daß das Konzert ein paar Stunden länger dauerte, und auch wenn die James-Brown-Vorgruppe „Incognito“ bei ihrem ungeplanten zweiten Set einige Songs noch einmal spielte, ließen sie sich dadurch die Tanzlaune nicht verderben. Auf Radio Bremen vier wurden die enttäuschten oder enthusiastischen Kommentare der Konzertbesucher live übertragen, zusammen mit viel Musik direkt von der Bühne weg und den etwas hilflosen Sprüchen der Radiosprecher über das verunglückte Timing dieser Geburtstagsparty des Senders.

James Browns Tourneebus war irgendwo auf der Autobahn liegengeblieben, und die Veranstalter mußten das Konzert strecken. Incognito hielt sich tapfer in der undankbaren Aufgabe des Pausenfüller. Wie die Gruppe „Soul II Soul“ hatten sie das Publikum mit smarter, ausgefeilter Tanzmusik in Stimmung gebracht, der Spannungsbogen konnte gerade noch bis 12.30 Uhr gedehnt werden, aber viele der etwa 6.000 Besucher waren doch schon auf dem Weg nach Hause, als der wirkliche Meister des Soul auf die Bühne stürmte.

Im Vergleich zu Browns eruptiver Show entpuppte sich die Musik der beiden Vorgruppen schnell als blasser Designersoul. Brown präsentierte eine hochkärätig besetze Bigband mit 15 Musiker auf der Bühne — Schlagzeug, Bass und Gitarre doppelt besetzt. Dazu sieben Tänzerinnen, die u.a. beim ersten Song „Living in Amerika“ sehr sugestiv die US Fahnen schwenkten und aussahen, als würden sie direkt aus den aufklappbaren Innenseiten des „Playboy“ kommen. Und dazwischen der potthäßliche, kleine, und doch alle überragende James Brown, der aus „It's a Mans World“ mit seiner jammernden Stimme einen tieftraurigen Abgesang an das Patriarchat liefert, während er bei seinem unvermeindlichen „Sexmachine“ mit seinen ekstatischen Schreien den Machismo wieder fröhliche Urstände feiern läßt.

Er zelebrierte die Show wie einen Ritus: jeder Schrei, jeder Tanzschritt hatte seine feste Bedeutung. Zweimal mußte ihn der Zeremonienmeister stützen, während er ihm den glitzernden Umhang über die hängenden Schultern warf, aber Brown rappelte sich genau im Takt der Musik wieder auf und sang wie neugestärkt weiter. Dann die Art wie er den Solisten bei ihren Soli immer wieder plötzlich das Mikro wegzog, oder seine Spezialität, alle Songs mindestens dreimal aufhören zu lassen: jedesmal wurde der Schluß wieder herausgezögert, das Publikum ein wenig gequält, gelockt, geneckt, und erst dann befriedigt. Aus jedem Ton, jedem Yeah, Yeah, Yeah und jedem tänzerischem Schwung seines beachtlichen Bierbauchs tropfte Browns Soul nur so heraus. Dafür wartet man gerne ein paar Stunden.

Willy Taub

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen