piwik no script img

Stand UNO-General Rasek „unter Streß“?

■ Äußerungen zum Scheitern der UNO heruntergespielt/ WEU für Intervention

Genf (taz) – Was nicht sein darf, das nicht sein kann. Die Feststellungen des für die Region Sarajevo zuständigen ägyptischen UNPROFOR-Generals Hussein Abdul Rasek über das „vollständige Scheitern“ der UNO-Mission und seine Forderungen nach einer militärischen Intervention (taz vom Montag) wurden gestern in Genf als Äußerungen eines überlasteten Offiziers heruntergespielt. Rasek habe sie „unter erheblichem Streß gemacht“, erklärte der Sprecher der Genfer Ex-Jugoslawien- Konferenz, Fred Eckard, auf Anfrage. Der in Zagreb residierende indische UNPROFOR-Oberkommandierende General Satish Nambiar teile die Meinung seines Untergebenen nicht. Raseks „Streß“ erklärte Eckard damit, daß der General und seine Truppen wegen des Beschusses des Flughafens durch die Serben „sehr viel Zeit in Schutzräumen verbracht“ hätten. Die beiden Kopräsidenten der Genfer Konferenz, Cyrus Vance und David Owen, wollten keine Stellung nehmen zu Raseks Äußerungen, die auch eine deutliche Kritik an ihren Bemühungen seit Beginn der Konferenz am 7. September darstellen. Sämtliche von Vance und Owen vermittelten und oftmals als Erfolg verkündeten Vereinbarungen zwischen den Kriegsparteien wurden entweder nie umgesetzt oder aber nach kurzer Zeit gebrochen. Darunter zahlreiche Waffenstillstände, die Regelung zur Unterstellung aller schweren Waffen in Sarajevos Umgebung unter UNPROFOR- Kontrolle oder die Abmachungen, Hilfstransporte auf ihrem Weg in die bosnische Hauptstadt nicht zu behindern. Angesichts dieser Realitäten hatte General Rasek erklärt, die UNO müsse „zeigen, daß sie notfalls mit Gewalt einschreiten will, um den Krieg zu beenden und die Bevölkerung zu retten“. Er schlug die Setzung einer einmonatigen Frist vor, nach deren Verstreichen „neue Maßnahmen ergriffen werden“ müßten.

Die Hilfsflüge nach Sarajevo sind angesichts der serbischen Offensive auf zunächst unbegrenzte Zeit eingestellt. Ob und unter welchen Bedingungen sie jemals wieder aufgenommen werden, bleibt unklar, zumal die Radaranlage, die insbesondere für Flüge im Winter notwendig ist, zerstört sein soll.

Der Generalsekretär der Westeuropäischen Union (WEU), Willem van Eekelen, befürwortet eine europäische Intervention im ehemaligen Jugoslawien. Europa müsse angesichts des „serbischen Expansionismus“ zu Taten übergehen, wenn es seine Glaubwürdigkeit wiederherstellen wolle, sagte der frühere niederländische Verteidigungsminister in einem am Montag veröffentlichten Interview mit der Pariser Zeitung Libération. Die Möglichkeiten rein humanitärer Aktionen seien erschöpft. „Während der soundsovielte Waffenstillstand gebrochen wird, dehnt Serbien sein Territorium ständig weiter aus. Groß-Serbien steht schon fast“, warnte er. Der multinationale Truppeneinsatz in Somalia könnte als Präzedenzfall für den Krieg in Jugoslawien dienen. Zum einen müsse für die Einhaltung des Embargos zur See und in Zusammenarbeit mit Rumänien und Bulgarien auch zu Land und auf der Donau gesorgt werden. Zum anderen seien in der humanitären Hilfe ganz präzise Ziele abzustecken und zu verwirklichen. Dabei müsse nötigenfalls Gewalt angewandt werden, auch unter Einsatz der Luftwaffe. Schließlich schlägt van Eekelen die Einrichtung von Sicherheitszonen wie in Kurdistan vor. „Das große Problem ist, daß wir Angst vor dem Unvorhergesehenen, vor der Eskalation haben. Aber welche Alternative bleibt uns?“ fragt der WEU-Generalsekretär. Wenn Europa seine Glaubwürdigkeit nicht wiederherstelle, werde sich ein Krieg auf dem gesamten Balkan entwickeln und den Frieden ganz Europas bedrohen. Das würde das Scheitern aller Grundsätze der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) bedeuten, die seit 1975 Fortschritte ermöglicht hätten. Andreas Zumach/afp

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen