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„Jugoslawien-Konferenz“ am Ende

Drei Monate nach ihrem Beginn räumen auch Diplomaten der Genfer Runde ihr Scheitern ein/ Im Falle Bosnien-Herzegowinas hat sich nichts bewegt/ Karadžić spielt auf Zeit  ■ Aus Genf Andreas Zumach

„Bald wird die albanische Minderheit in Mazedonien sogar noch die Einrichtung albanisch sprechender Ballettgruppen für Behinderte fordern.“

In tiefen Zynismus flüchten sich UnterhändlerInnen der Genfer Konferenz zu Ex-Jugoslawien inzwischen zumindest in Hintergrundgesprächen mit Journalisten. Seit Beginn der von UNO und EG verantworteten Konferenz vor genau drei Monaten reist die hier zitierte Diplomatin pausenlos zwischen Genf, Mazedoniens Hauptstadt Skopje und Priština im serbisch verwalteten Kosovo hin und her. Doch die intensiven, mühseligen Detailverhandlungen etwa über die Wiedereröffnung zumindest der Grundschulen im Kosovo mit albanischer Unterrichtssprache, über die Gewährung von mehr Sendezeiten für die verschiedenen ethnischen Minderheiten im staatlichen Fernsehen Mazedoniens oder über die zweisprachige Ausschilderung von Straßen und öffentlichen Gebäuden – all diese Bemühungen haben bislang kaum Fortschritte gebracht.

Der Optimismus ist verflogen

Und dabei waren aus der Konferenzarbeitsgruppe für Minderheitenprobleme zunächst noch die vergleichsweise optimistischsten Töne gekommen. In Interviews mit deutschen Journalisten hatte sich der Arbeitsgruppenvorsitzende, der deutsche Botschafter Geert Ahrens, Anfang Oktober noch zuversichtlich gezeigt, daß ein pragmatischer, um die Schaffung konkreter Verbesserungen bemühter Verhandlungsansatz erfolgreich sein könnte. Erfolgreicher zumindest als der Versuch, zunächst politische Grundsatzprobleme zu klären, wie etwa den künftigen Status des einst von Belgrad autonomen Kosovo.

Inzwischen wird konferenzintern von einem baldigen Ausbruch gewaltsamer Konflikte zumindest in Mazedonien fest ausgegangen. Zumal wenn auf dem morgen beginnenden EG-Gipfel keine Lösung im Namensstreit zwischen Athen und Skopje gefunden wird, der zu einem schnellen Ende der griechischen Wirtschaftsblockade gegen den Nachbarn im Norden führt. Und eine solche Lösung ist bisher nicht in Sicht.

Noch pessimistischer als Mitglieder der Minderheitenarbeitsgruppe äußern sich Diplomaten, die in den letzten drei Monaten an den von dem Finnen Martti Ahtisaari geleiteten Verhandlungen über Bosnien-Herzegowina teilgenommen haben. Sie bestätigen den Eindruck aller Beobachter, die sich bisher nicht von den Public- Relations-Künsten des Konferenzsprechers Fred Eckhard haben täuschen lassen: In der Substanz hat sich überhaupt nichts bewegt. Nicht nur wurden sämtliche von Ahtisaari oder den beiden Konferenzpräsidenten Cyrus Vance und David Owen vermittelten Vereinbarungen zwischen den drei Kriegsparteien entweder überhaupt nicht umgesetzt oder nach wenigen Stunden gebrochen. Das gilt beispielsweise für die zahlreichen Waffenstillstände, die Regelungen, alle schweren Waffen in der Umgebung der UN-Kontrolle zu unterstellen, oder für die Absprachen, wenigstens Hilfskonvois ungehindert passieren zu lassen.

Aber auch bei den Verhandlungen über eine künftige Verfassung Bosnien-Herzegowinas ist man keinen Schritt weitergekommen. Die Strategie von Serbenführer Radovan Karadžić ist bislang voll aufgegangen. Teilnehmer der zahlreichen Verhandlungsrunden zwischen Karadžić, Vance, Owen und Ahtissari schildern, wie der Serbenführer die UNO- und EG-Unterhändler immer wieder hingehalten hat, während seine Truppen im Felde eine militärische Operation nach der anderen siegreich durchführten. Anfang dieser Woche erst, mit anderthalbmonatiger Verzögerung, legte Karadžić eine Karte mit den serbischen Aufteilungsvorstellungen auf den Tisch. Sie zeigt fast alle derzeit von den serbischen Truppen kontrollierten Gebiete als künftigen serbischen Teilstaat Bosnien-Herzegowinas. „Karadžićs Teilnahme am Genfer Tisch hat die serbische Kriegsführung zu keinem Zeitpunkt in irgendeiner Weise behindert“, konstatiert ein Teilnehmer der Gespräche. Zwischen dieser Genfer Verhandlungsrunde und den Ereignissen in Bosnien-Herzegowina gebe es überhaupt keinen Zusammenhang. Doch den Eindruck eines Zusammenhanges, ja einer positiven Auswirkung ihrer Bemühungen auf die Lage in Bosnien- Herzegowina müssen Vance und Owen aufrechterhalten beziehungsweise wiederherstellen, um die Fortsetzung der Konferenz zu sichern.

Die Zeit drängt, da am Mittwoch nächster Woche die Außenminister der 32 Mitglieder von EG, UNO-Sicherheitsrat, KSZE und islamischen Staaten in Genf zusammenkommen, die den Leitungsausschuß der Konferenz bilden. Der Termin kam auf Druck Frankreichs zustande, das hinter den Kulissen bereits für ein Ende der Genfer Jugoslawien-Konferenz und ihre Auferstehung in neuer Zusammensetzung und am Tagungsort Paris wirbt. Spätestens bis zum Außenministertreffen nächste Woche müssen Vance und Owen zumindest einige kosmetische Erfolge vorweisen können.

In den letzten beiden Tagen bemühten sie sich vergeblich um ein gemeinsames Genfer Treffen Karadžićs mit dem bosnischen Kroatenführer Mate Boban und dem muslimanischen Außenminister der Regierung in Sarajevo, Haris Silajdic. Eine solche Begegnung war bislang immer an der Weigerung der Muslimanen gescheitert, sich mit den „Mördern unserer Kinder“ an einen Tisch zu setzen. An einer Fortsetzung der Genfer Konferenz, auf der er dann auf Basis der serbischen Geländegewinne großzügig die Rückgabe einiger Gebietsprozente an Muslimanen und Kroaten anbieten könnte, ist auch Karadžić interessiert. Um die Stimmung aufzubessern, schlug seine Delegation in Genf gestern schon einmal einen Waffenstillstand an Weihnachten vor. Bis dahin dürften die serbischen Truppen dann nicht nur Sarajevo, sondern auch die anderen derzeit noch von Muslimanen verteidigten Städte erobert haben.

(Siehe auch Seite 12)

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