: Das »Doktorbuch« als Bestseller
■ Nicht jedes Zipperlein muß vom Arzt behandelt werden / Doch medizinische Ratgeber sind oft lückenhaft
Ob die Diagnose nun Diabetes mellitus, Hämatom oder Hyperopie lautet — viele Mediziner tun sich schwer, dem Laien klar und deutlich zu sagen, was denn nun eigentlich Sache ist. So hat die mangelnde Beratung auf Krankenschein eine Marktlücke geöffnet: In den Buchläden stapeln sich Gesundheitsratgeber und -lexika. Und laufen Arztromanen den Rang ab.
Vielleicht hängt der Boom aber auch mit der Einsicht zusammen, daß nicht jedes kleine Wehwehchen gleich mit einem Besuch beim Arzt quittiert werden muß. ÖKO- TEST prüfte 16 Gesundheitsschmöker und Bücher zur Naturheilkunde auf Herz und Nieren: Nur ein Buch, das Kursbuch Gesundheit, kann das Magazin empfehlen. Den anderen Büchern mangelt es an Tips zur Selbsthilfe, einige sind nicht aktuell. Auch die Einbeziehung der Naturheilkunde, etwa Homöopathie, wird oft stiefmütterlich behandelt oder eine kritische Betrachtung fehlt. Informationen zur Ernährung erschöpfen sich zumeist in der Abhandlung der Nährstoffe Eiweiß, Fett und Kohlenhydrate. Praktische Tips zur Umstellung auf vollwertige Kost fehlen, ebenso Hinweise zur Schadstoffvermeidung. Auch die Abhandlung von Berufskrankheiten und Wohngiften kommt zu kurz.
Gesundheitsbücher sollten nicht nur umfassend und aktuell sein, sie sollten Ratsuchende auch sensibler für Gesundheitsfragen machen. Dazu zählt der kritische Umgang mit Medikamenten: Etwa der Hinweis, daß man stets den Beipackzettel eines Medikaments lesen sollte, und die Warnung, daß bestimmte Mittel abhängig machen. Auch die Vorbeugung von Krankheiten, etwa durch Ernährung, Entspannung und Bewegung, muß Thema sein. Doch so weit gehen nur wenige Ratgeber und Lexika.
Nichts zu suchen hat in einem Gesundheitsbuch Pharma-Werbung, wie in Das ABC der Gesundheit. Ebenso verharmlosende Informationen: Das Naturgemäße Volksheilbuch stellt Aids als ein „hauptsächlich moralisches Problem“ dar. Grund, so Autor Berthold Withalm, sei „ein schwer gestörtes Geistig-Seelisches im Menschen“,
das zu zügellosem Sex und weiter zur Immundepression führe, so daß Viren Tür und Tor geöffnet seien.
Bevor Sie ein Gesundheitsbuch kaufen, sollten Sie überlegen, welchen Typ Literatur Sie benötigen.
Tips zur Selbsthilfe finden Sie vor allem in Ratgeberbüchern. Wenn Sie nur schnell ein Stichwort suchen, sind Lexika richtig. Prüfen Sie die Schmöker vor dem Kauf kritisch. Gucken Sie stichprobenartig, ob die Autoren etwa mit den Themen Aids, Heilpflanzen, Homöopathie oder Medikamente sachlich umgehen. Annette Sabersky
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